Privatisierung von Autobahnen: Gabriels Wahrheit
Autobahn-Privatisierungen blieben auch künftig ausgeschlossen, hatte der SPD-Chef behauptet. Ein neues Gutachten widerspricht ihm.
Die Länder hatten schon zuvor Bedenken vorgetragen, dass es zu Autobahn-Privatisierungen kommen könne. Doch SPD-Chef Sigmar Gabriel besänftigte damals seine Genossen per Post: „Wir konnten durchsetzen, dass die Privatisierung von Autobahnen und Bundesstraßen ausgeschlossen wird.“ Dabei hatte er eine Kommission eingesetzt, die für eine Privatisierung die Vorarbeiten leistete.
In der Bund-Länder-Einigung hieß es zur „Übernahme in die Bundesverwaltung“: Es werde eine „unter staatlicher Regelung stehende privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ gegründet. In dieser werde das „unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen im Grundgesetz festgeschrieben“.
Also alles gut? Thüringen dürfte daran mittlerweile Zweifel hegen. Das ergibt sich aus dem Gutachten. Erstellt hat es im Auftrag der Staatskanzlei der Frankfurter Rechtsprofessor Georg Hermes. Er hatte Sigmar Gabriel angesichts der drohenden Privatisierung öffentlich Wählerbetrug vorgeworfen.
Schwammiger Beschluss
In seinem Gutachten analysiert er nun den Bund-Länder-Beschluss und kritisiert die Schwammigkeit, die eine Privatisierung keineswegs ausschließe. „So macht etwa ‚bundeseigene Verwaltung‘ eine Verwaltung durch Behörden erforderlich, während ‚Bundesverwaltung‘ auch in privatrechtlichen Organisationsformen realisiert werden darf“. Weiter: „Die Formulierung, dass die Infrastrukturgesellschaft ‚unter staatlicher Regelung‘ stehen soll, hat wenig Gehalt. Im Rechtsstaat unterliegen alle natürlichen und juristischen Personen der staatlichen Regelung.“
Und die Festschreibung des „unveräußerlichen Eigentums des Bundes an Autobahnen“ würde, so Hermes, „insbesondere keine Privatisierung verhindern“. Nötig sei seiner Ansicht nach, das „Eigentum des Bundes an der Infrastrukturgesellschaft“ verfassungsrechtlich zu verankern.
Bisher leisteten nur die Länder Widerstand. Das hat sich geändert: Unter anderem hat nun auch der ACE Auto Club Europa e. V. eine kritische Analyse erstellt, die der taz vorliegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge