„Es gibt positive Signale“

Das bleibt von der Woche Im Stadtschloss werden die Pläne für das Humboldt-Forum vorgestellt, die Sanierung des Pergamonmuseums dauert deutlich länger und wird erheblich teurer, die Kältehilfe geht mit weniger Betten in die Saison, und der polnische Propagandafilm „Smolensk“ kann in Berlin nicht landen

Kein Museum des alten Stils

Plan für Humboldt-Forum

Gemeinsame Provenienzforschung wäre tatsächlich ein großer Fortschritt

Wenn in einem Nachbau eines alten Hohenzollernschlosses, einst königlich-preußische, später kaiserliche Residenz, alsbald die aus kolonialer Gier hervorgegangenen außereuropäischen Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für asiatische Kunst präsentiert werden, lohnt ein genauer Blick. Setzt das wichtigste Kulturprojekt der Bundesrepublik unselige kolonialistische Traditionen fort? Oder wohlwollender: Wie kann ein Museum des 21. Jahrhunderts mehr sein als ein Völkerkundemuseum alten Stils?

Klar ist: Die Macher des Humboldt-Forums, Intendanten und beteiligte Politiker, die am Mittwoch im Stadtschloss ihre Pläne präsentierten, müssen die Frage in aller gebotenen Sensibilität beantworten. Sie müssen die Herkunft der über 500.000 Kulturobjekte in den Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz klären, ebenso die Debatte darüber führen, mit welchem – nicht eurozentristischen Blick – zukünftig auf diese Kulturgüter geschaut werden soll.

Es gibt positive Signale: Hermann Parzinger, einer der drei Gründungsintendanten, erinnerte bei den Präsentation an den von kaiserlichen Kolonialtruppen niedergeschlagenen Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika Anfang des 20. Jahrhunderts – und betonte die enge Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem heutigen Tansania. Eine gemeinsame Provenienzforschung wäre tatsächlich ein großer Fortschritt.

Und Kulturstaatsministerin Monika Grütters versprach, das Haus werde die koloniale Herkunft seiner Exponate zum Thema machen. Damit setze es auch für andere Museen „Maßstäbe für die Auseinandersetzung mit der eigenen Sammlungsgeschichte“. Die Herkunft der Objekte solle genauso intensiv erforscht werden wie die Beutekunst der Nazis. Das sind große Worte. Doch ohne den Mut – und ein entsprechendes Budget – bleiben sie Lippenbekenntnisse. Erik Peter

Wo sol­len sie noch hin, die Tou­ris­ten?

Per­ga­monMu­se­um teu­rer

Vier Jahre län­ger eine Bau­stel­le, die Bau­kos­ten ver­dop­peln sich

Nun also auch noch das Per­ga­monmu­se­um, wird er sich den­ken, der ge­mei­ne Ber­lin­tou­rist. Die Neue Na­tio­nal­ga­le­rie ist noch min­des­tens drei Jahre dicht, die Staats­oper wohl auf un­ab­seh­ba­re Zeit, wich­ti­ge Be­rei­che des Eth­no­lo­gie­mu­se­ums in Dah­lem wie etwa die be­rühm­ten Süd­see­boo­te sind in Vor­be­rei­tung auf den Umzug ins Hum­boldt-Fo­rum auch schon nicht mehr zu­gäng­lich. Wo soll er denn noch hin, der Tou­rist, zumal im kal­ten Win­ter, wo er nir­gends ver­wei­len und sich wär­men kann als im Café oder im Mu­se­um? Zur an­geb­lich so wun­der­schö­nen No­fre­te­te und zum Cas­par David Fried­rich in der Alten Na­tio­nal­ga­le­rie, da kann er noch hin, aber sonst?

Seit 2014 wird das Per­ga­monmu­se­um, das wich­tigs­te Haus auf der Mu­se­ums­in­sel, nun schon sa­niert. Wes­we­gen sein Herz­stück, seine Haupt­at­trak­ti­on, der Altar, nach dem es be­nannt wurde, der­zeit nicht mehr zu be­stau­nen ist. Nun, so gab das Bau­mi­nis­te­ri­um am Wo­chen­en­de zäh­ne­knir­schend zu, soll das auch län­ger so blei­ben. Und zwar nicht wie ur­sprüng­lich ge­plant bis 2019, son­dern vier Jahre län­ger. Bis 2023. Auch die Bau­kos­ten wer­den sich fast ver­dop­peln, von 261 auf ge­schätz­te 477 Mil­lio­nen Euro. Schuld sein sol­len zwei Pum­pen­häu­ser im Bau­grund, zu­sätz­li­che Pfäh­le, auf denen die Mu­se­ums­in­sel steht, und der An­stieg der Bau­kos­ten – wobei man sich selbst als Laie schon fragt, ob die­ser An­stieg nicht schon bei der Sa­nie­rung des kleins­ten Ein­fa­mi­li­en­häus­chens groß­zü­gig mit ein­kal­ku­liert ge­hört.

Roll­kof­fer­hasser, ihr dürft euch also tat­säch­lich ein­mal freu­en. Nach Her­mann Par­zin­ger, Prä­si­dent der Stif­tung Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz, die das Per­ga­monmu­se­um be­treibt, sind die Be­su­cher­zah­len des Mu­se­ums von jähr­lich 1,4 Mil­lio­nen auf 800.000 nach der Er­öff­nung der Bau­stel­le zu­rückge­gan­gen. 600.000 we­ni­ger, das ist doch schon mal was!

Wenn das so wei­tergeht, wer­det ihr bald wie­der gänz­lich eure er­sehn­te Ruhe haben.

Susanne Messmer

Die soziale Stadt ist gefordert

Start der Kältehilfe

Knapp 700 Betten: das wird, prophe­zeien die Experten, zu wenig sein

Kann das wirklich wahr sein? Kann es sein, dass man in dieser Millionenmetropole, in der an jeder Ecke gebaut wird, an jeder zweiten Ecke ein Gebäude leer steht, nicht einmal 800 Notbetten für Obdachlose aufstellen kann wie noch im vergangenen Jahr? Man mag es kaum glauben – aber es ist so. Am Dienstag begann die Saison der Berliner Kältehilfe, und sie ging mit gerade einmal 550 Übernachtungsplätzen an den Start. Ende November soll noch eine Traglufthalle eröffnen, dann wird man knapp 700 Betten haben. Aber auch das wird zu wenig sein, prophezeien die Experten – und appellieren an Hausbesitzer, leer stehende Immobilien für ein paar Monate zur Verfügung zu stellen.

Seit nunmehr 26 Jahren findet ein Wettlauf statt: Winter für Winter gibt es mehr Bedürftige, Tausende Engagierte aus Kirchengemeinden, Vereinen, Wohlfahrtsverbänden hecheln hinterher und kommen kaum nach mit dem Bettenaufstellen. Man wolle nicht den „Ausfallbürgen“ geben für eine verfehlte Wohnungs(losen)politik, sagte die Chefin der Caritas am Dienstag – obwohl man genau das natürlich schon immer war. Inzwischen aber sieht es so aus, als ob die Kältehelfer den Kampf verlieren könnten, weil Gentrifizierung und kapitalistischer Verwertungsdruck auch noch in die letzten Ecken der Stadt kriechen und das Helfen fast unerschwinglich machen.

Was also ist zu tun? Mittelfristig müssen natürlich viele, viele für Hartz-IV-Empfänger bezahlbare Wohnungen her. Hier darf schon mal bezweifelt werden, dass die diesbezüglichen Koali­tionsvereinbarungen von R2G – geförderter Neubau von 6.000 Wohnungen pro Jahr, davon die Hälfte „bezahlbar“ mit 6,50 Euro brutto kalt pro Quadratmeter – ausreichen werden, sowohl quantitativ als auch preislich.

Doch schon kurzfristig könnte die neue Koalition beweisen, dass sie nicht umsonst mit dem Schlagwort „soziale Stadt“ geworben hat. So könnte sie den Zuschuss, den das Land den Trägern der Kältehilfe pro Nacht und Bett zahlt, sofort deutlich erhöhen. Bisher bekamen sie 15 Euro, in diesem Winter sollen es 17 Euro sein. Nötig aber, sagen die Träger, wären 25 Euro, damit sie nicht auf den steigenden Kosten sitzen bleiben.

Die neue Koalition sollte sich aber auch nicht scheuen, harte Bandagen anzulegen. Warum nicht leer stehende Immobilien beschlagnahmen, um wenigstens genügend Notschlafstellen für den Winter zu haben? Sogar Rot-Schwarz hat sich das getraut, als es im vorigen Winter um die Notversorgung von Flüchtlingen ging – wenn man auch nur die Bezirke um ihre Turnhallen schröpfte. Als Opposition kritisierten Grüne und Linke damals, dass der Senat leer stehende Immobilien von Privatbesitzern verschonte. Hier können sie nun zeigen, wie es besser geht. Susanne Memarnia

Von wegen Skan­dal und Zen­sur

Kein "Smolensk" in Berlin

Der polnische Botschafter hat seinen Teil zur Eskalation beigetragen

Nach dem Del­phi hat auch das Cubix am Don­ners­tag die Berliner Pre­mie­re des pol­ni­schen Pro­pa­gan­da­films „Smo­lensk“ ab­ge­sagt – und die rech­ten pol­ni­schen Me­di­en schäu­men. „Wenn das stimmt, dann nimmt das Ganze den Cha­rak­ter eines Skan­dals an“, schreibt das On­linepor­tal niezalezna.pl, und bei wpolityce.pl wird an der Be­grün­dung der Ab­sa­ge ge­zwei­felt: „Schwer zu glau­ben, dass die Deut­schen nicht in der Lage sind, die Si­cher­heit bei einer Ki­no­vor­stel­lung zu ge­währ­leis­ten. Das Ganze sieht eher nach einer Macht­de­mons­tra­ti­on der Geg­ner aus.“ Auch von Zen­sur ist man­cher­orts die Rede.

Es lohnt sich in die­sem Zu­sam­men­hang, ein­mal die Rolle der pol­ni­schen Bot­schaft zu be­leuch­ten. In den be­reits ge­druck­ten Ein­la­dun­gen für die für den 7. No­vem­ber vorgesehene Filmpremiere be­zeich­net der seit Juli am­tie­ren­de Bot­schaf­ter An­drzej Przyłębski die Ur­sa­che des Ab­stur­zes der pol­ni­schen Prä­si­den­ten­ma­schi­ne bei Smolensk als „bis heute nicht ge­klärt“. Da­ge­gen schil­de­re der Film des Re­gis­seurs An­to­ni Krau­ze „den wahr­schein­li­chen Ver­lauf der Er­eig­nis­se“. Al­ler­dings hät­ten die Me­di­en die Suche nach der Wahr­heit ver­schlei­ert.

Bei dem Ab­sturz am 10. April 2010 war auch der pol­ni­sche Staats­prä­si­dent Lech Kaczyński ums Leben ge­kom­men. Die Re­gie­rung unter dem da­ma­li­gen Mi­nis­ter­prä­si­den­ten und heu­ti­gen EU-Rats­prä­si­den­ten Do­nald Tusk war von einer Ver­ket­tung un­glück­li­cher Um­stän­de und mensch­li­chem Ver­sa­gen als Un­glücks­ur­sa­che aus­ge­gan­gen. Mit der An­kün­di­gung, der Film würde „den wahr­schein­li­chen Ver­lauf der Er­eig­nis­se“ zei­gen, hat sich der pol­ni­sche Bot­schaf­ter also auf die Seite der Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker ge­schla­gen, die von einem rus­si­schen Ab­schuss aus­ge­hen. Przyłębski hat damit sei­nen Teil zur Es­ka­la­ti­on bei­ge­tra­gen, die am Ende zu den Ab­sa­gen führ­te.

Für einen, der erst ein Vier­tel­jahr im Amt ist, hat sich Po­lens obers­ter Ver­tre­ter in Deutsch­land oh­ne­hin nicht be­son­ders di­plo­ma­tisch ver­hal­ten. Dem Prä­si­den­ten des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts An­dre­as Voß­kuh­le warf er „un­ver­ant­wort­li­che Kri­tik“ vor, nach­dem die­ser sich be­sorgt über die Vor­gän­ge um das pol­ni­sche Ver­fas­sungs­ge­richt ge­äu­ßert hatte. Pi­kant dabei: Przyłębskis Frau Julia wird in Krei­sen der regierenden PiS als mög­li­che Nach­fol­ge­rin des der­zeit noch am­tie­ren­den Chefs des pol­ni­schen Ver­fas­sungs­ge­richts ge­han­delt.

Uwe Rada