Näher am Spaß: Kunst belachen
Hamburger Kunsträume
von Hajo Schiff
Auf Beerdigungen wird selten gelacht. Im Kunstmuseum auch nicht. Die Wände sind weiß, die Kleidung der Eingeweihten ist schwarz. Stellt jemand ein Pissoir oder sowas auf einen Sockel, geht alles: Empörung oder Begeisterung und vor allem ein langer Diskurs. Aber nicht Lachen. Kunst will unbedingt ernst genommen werden, auch die komische. Grotesken und Parodien wollen verblüffen, doch der Witz der Kombinationen soll sich nicht im Lachen auflösen, sondern zu Gedanken anregen.
Da findet der Künstler Akihiro Higuchi einen mehrköpfigen Feuergott auf dem Flohmarkt, der einige seiner asiatisch vielen Arme eingebüßt hat, und restauriert ihn zu alter Macht, indem er mächtige Waffen des Sci-Fi-Arsenals in Spielzeug-Kunststoff anmontiert. Der extreme Kontrast ist eindeutig ein Anlass zum Schmunzeln und doch eine ernste Aussage über die Machtfantasien der Kindheit und der Religion.
Auch die modisch bekleideten Wildtiere und bemalten Käfer in dieser Ausstellung in der Galerie von Mikiko Sato spielen mit Gegensätzen, die Sigmund Freud einst als eine Quelle des Witzes erkannt hat. Und dass der lebensgroße abgebrochene Fuß einer Statue von einem aus dem Sockel geschnitzten kleinen Hilfsgeist gestützt wird, ist zwar komisch, aber nicht zum Lachen. Auch gute Satire ist eigentlich nicht zum Lachen, sondern eher eine Waffe. Und Humor? Der ist wichtig, kann aber auch jede Provokation zur Belanglosigkeit besänftigen.
Vielleicht kann ein Symposion der BTK-Hochschule für Gestaltung in der Museumstraße 39 zu diesem Themenkreis Aufschluss geben. Themen wie „Unter Drogeneinfluss gebügeltes Hemd“ oder „Krise eines Mülleimers – Zebras kommen auf den Hund“ befassen sich ganz seriös mit dem Lachen (www.btk-fh.de).
„Jede umfassende Definition des Humors entzieht sich uns …“ betitelt Kunsthallen-Kuratorin Annabelle Görgen-Lammers ihre Reflexionen dazu und lädt zum Besuch der großen Surrealisten-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle. Denn ohne kunstgeschichtliche Bedeutungsschwere waren jene Meisterwerke einst viel näher am Spaß, als heute vermutet.
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