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Warteschleife Die Berliner Polizei braucht immer länger, um Notrufe entgegenzunehmen. Gewerkschaft fordert „personelle und finanzielle Aufstockung“

Die Berliner Polizei braucht bei der Annahme der Notrufe über die bekannte Telefonnummer 110 immer länger. Nur 62 Prozent der Anrufe im ersten Halbjahr 2016 wurden innerhalb der ersten zehn Sekunden angenommen, wie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Ende vergangener Woche mitteilte. Alle anderen Anrufer mussten länger warten. Die Polizei bestätigte die Zahlen.

Ziel ist, 90 Prozent der Notrufe innerhalb von zehn Sekunden anzunehmen. 2015 und 2014 hatte sich die Polizei noch in mehr als 70 Prozent der Notrufe innerhalb der Zehn-Sekunden-Frist gemeldet. Nun sei man „im Moment von der Zielvorgabe sehr weit weg“ und darüber auch „sehr, sehr traurig“, räumte Polizeisprecher Winfrid Wenzel ein.

Die GdP sprach von einem „absoluten Tiefpunkt“. Schuld sei unter anderem der akute Personalmangel bei der Berliner Polizei. „Es ist eine verheerende Entwicklung, wenn immer mehr Bürger immer länger in der Warteschleife hängen“, sagte die GdP-Landesvorsitzende Kerstin Philipp. Das sorge dafür, „dass sich immer mehr Menschen alleingelassen fühlen und das Vertrauen in die Polizei verlieren“.

Wenzel sagte, das Problem hänge auch mit einem relativ hohen Krankenstand in der Einsatzzentrale zusammen. Schon seit dem Sommer habe man reagiert und jüngere Bewerber für die Tätigkeit gesucht. In den nächsten Wochen würden bis zu 30 neue Kollegen geschult und in der Einsatzzentrale anfangen.

Die Zahl von etwa 1 bis 1,3 Millionen Notrufen im Jahr sei schon länger konstant. Täglich seien das im Durchschnitt 2.740 Anrufe, sagte Wenzel. Gleichzeitig gingen beim Bürgertelefon mehr Anrufe und bei der Internetwache mehr Anzeigen ein, die auch bearbeitet werden müssten. Die Beschwerden über längere Wartezeiten in der Telefonleitung hätten im Vergleich zum vergangenen Jahr aber abgenommen.

Die GdP kritisierte zudem, die Aufklärungsquote der Polizei sei im ersten Halbjahr 2016 weiter auf 41,9 Prozent gesunken (2015: 43,9 Prozent). Das liegt demnach besonders an der weiteren Zunahme von leichter Kriminalität wie Taschendiebstählen, von denen nur ein geringer Bruchteil aufgeklärt wird. Hier gab es 21. 908 registrierte Fälle, das waren 26 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei den Taschendiebstählen ist seit Jahren ein enormer Anstieg zu verzeichnen: Von 2010 mit rund 13.000 Diebstählen gab es bis 2015 mit mehr als 40.000 angezeigten Fällen eine Verdreifachung.

Gleichzeitig sank im ersten Halbjahr 2016 die Zahl der Anzeigen wegen Schwarzfahrens in Bussen und Bahnen auf 6.271 (Vorjahreszeitraum 2015: rund 15.000). Weil in solchen Fällen der Täter schon feststeht, lassen viele derartige Delikte die Aufklärungsquote steigen und weniger Delikte führen in der Gesamtstatistik zu einer niedrigeren Quote. Über eine gute oder schlechte Arbeit der Polizei sagt das nichts aus.

Philipp forderte: „Alle Parteien haben mit der inneren Sicherheit Wahlkampf betrieben. Jetzt sollten sie Wort halten und die Polizei personell und finanziell deutlich aufstocken.“ Ähnlich wie mehrere SPD- und CDU-Innenpolitiker verlangte auch sie härtere Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität, besonders bei den Möglichkeiten, die Gewinne der Kriminellen einzuziehen. Bei der sogenannten Beweislastumkehr, die der Vermögensabschöpfung dient, müssten Verdächtige nachweisen, ihr Geld auf legalem Weg verdient zu haben. (dpa)