Wedemeiers Friseur

ANFÄNGE Krimi-Autor Jürgen Alberts hat die Gründung der Bremer taz unterstützt: 1985 mit einer legendären Friseur-Kolumne

Wedemeier-Unterschriften in einer Senatsbroschüre: „Der Mann weiß nicht, wie er heißt“, schrieb unser Graphologe Foto: taz.bremen-Archiv

„Das war vielleicht ein Schock, als ich letzte Woche erfuhr, daß die Bremer Lokalausgabe der taz vielleicht zum Dezember dieses Jahres wieder verschwinden werde, wenn sich nicht genügend Abonnenten finden… Also habe ich Klaus angerufen und gefragt, wo ich helfen kann. Aus früheren Bremer Blatt-Tagen kennen wir uns. Er sagte: „Donnerstags ist immer Chaos, kannst du da?“ Gut, wenn ich in Bremen bin, will ich helfen…“

So beginnt mein Engagement für die taz in einem Artikel vom 13. September 1985. Immer freitags erschienen damals vier Seiten. Die wollten gefüllt werden. Warum die taz.bremen überhaupt notwendig wurde, war klar – jedenfalls für mich und meine Freunde: Zehn Jahre zuvor hatten wir das Bremer Blatt gegründet, als eine Art Gegenöffentlichkeit. Dort wurden Infos und Nachrichten gedruckt, die in der bürgerlichen Öffentlichkeit nicht mehr aufzufinden waren. „Informationen von unten“, so nannten wir das. Im Laufe der Jahre wurde aus dem politisch geprägten Blättchen – anfangs noch im Zeitungsformat, acht Seiten für 50 Pfenning – ein Freizeit-Magazin, in dem es hauptsächlich um Saunas und Discos und ähnliches ging. Deswegen wurde eine regionale taz als Gegenöffentlichkeit gebraucht.

Meine taz-Kolumne damals hieß: „Der Friseur des Bürgermeisters plaudert aus“. Eine fiktive Figur, aber mit realen Bezügen. Bei dem damaligen Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD)konnte man vermuten, dass er täglich vor der Arbeit auf dem Frisierschemel sitzt. Und so fabulierte ich Woche für Woche, was mir dieser Friseur erzählte.

Jürgen Alberts

Foto: Archiv

Jg. 1946, Studium der Germanistik, Geschichte und Politik in Tübingen und Bremen. Er schrieb Drehbücher und Hörspiele für den WDR und das ZDF,1969 erschien sein erster Roman Nokasch, zahlreiche weitere Kriminalromane folgten, darunter eine 10-bändige Reihe über die Bremer Polizei. Er ist Organisator des Bremer Krimifestivals und Initiator der deutschen Krimibibliothek Bremen.

Der Friseur berichtete von Entwicklungen in der Senatsrunde, bei der oft die Würfel entscheiden würden, wohin die Reise der Politik ging. Zum Beispiel: Wedemeier in asiatischen Gewässern, mit den Vertretern von Werder und der Industrie. Die taz ulkte damals: „Wir haben uns von einem Graphologen eine Expertise der Unterschrift machen lassen, die unter dem Vorwort in der Asien-Senatsbroschüre erstrahlt. In dem Gutachten steht: „Der Mann weiß nicht, wie er heißt – Widmer oder Widmim oder Klus Wedmine oder was. Das kommt vom Akten-Abzeichnen. Da bleibt eines Tages nur noch der Querstrich übrig. Eine flüchtige Unterschrift.

Noch weniger gab nur die japanische Variante seines Namens her. Da wußte selbst der Graphologe nicht weiter.“

Am 2. Oktober 1986 sollte es dann soweit sein, dass mit Unterstützung vieler stiller Teilhaber die Bremer taz täglich erscheinen konnte. (Einlage: mindestens 1.000 Mark. Gebraucht wurden insgesamt 150.000 Mark) Vorher musste aber das „nationale Plenum“ am 21. Juni 1986 in Berlin die Bremer Regionalausgabe absegnen. Und da hatten wir Glück. Denn die Hamburger wollten ihren Regionalteil auf täglich acht Seiten ausdehnen, was ins Geld gegangen wäre. Wir hingegen, bescheiden, bescheiden, verhielten uns still und argumentierten mit dem Zuwachs an Abonnenten und den eingesammelten Geldern, und … bekamen den Zuschlag. Großer Jubel bei der angereisten Bremer Truppe. Und bei den vielen Unterstützern der Bremer taz. Das alles ist nun 30 Jahre her und es klingt ein bisschen wie ein Märchen. Jürgen Alberts