„Hier kann ich etwas für mich machen“

Integration auf acht Rollen: Der Altonaer Turnverband bietet einen Inlineskate-Kurs auch für muslimische Frauen an – mit Erfolg

„Der Vorteil ist, dass man diese Sportart auch mit Kopftuch ausüben kann“

„Mir tut alles weh.“ Fatma Genç fasst sich an den Po und klopft den Staub aus ihrer lilafarbenen Hose. Sie lächelt. Obwohl sie sich an diesem Nachmittag schon ein paar Mal unfreiwillig hingesetzt hat. „Aber es macht trotzdem Spaß“, sagt Fatma und bringt sich langsam wieder in Fahrt. Auf acht Rollen, mit wackligen Knien. Die Frau mit dem bunten Kopftuch steht auf Inlineskates. An ihr vorbei rauscht ihre türkische Landsfrau Arzu Eksi, mit Kurs auf rot-weiße Plastikhütchen. Die beiden Frauen üben Slalom-Fahren, Fallen und vor allem Bremsen.

Auf der Inlinebahn des Altonaer Turnverbandes drehen muslimische und deutsche Frauen gemeinsam ihre Runden. Elf Teilnehmerinnen sind es, die sich jeden Freitag treffen. Das Ziel des Kurses ist es, die ausländischen Frauen über den Sport besser in die Gesellschaft zu integrieren. Für das von der EU geförderte Projekt hat sich der Deutsche Rollsport und Inline-Verband (DRIV) beworben. „Wir wollen, dass die Frauen an Mobilität gewinnen und ihr Selbstbewusstsein stärken“, sagt Irmelin Otten vom DRIV. „Diese Frauen bekommen durch den Kurs eine ganz neue Freiheit, die meisten besitzen ja nicht einmal eine HVV-Karte“, fügt sie hinzu.

Britta Früh, die Skate-Instruktorin, ist begeistert von dem Kurs: „So viel Herzlichkeit unter den Teilnehmern habe ich noch nie erlebt.“ Keinem Erwachsenen sei es peinlich, auch einmal hinzufallen. Deutsche Kursteilnehmer hingegen wären oft verkrampft, hätten Sorge, sich zu blamieren. „Die Frauen hier sind alle offen und voll dabei“, sagt die 41-Jährige, die seit sechs Jahren Inline-Unterricht gibt. Zwar merke man, dass die Frauen Schwierigkeiten mit Motorik und der Koordination haben. „Aber der Vorteil ist hier, dass man diese Sportart auch mit Kopftuch ausüben kann“, sagt Früh.

Der Anteil ausländischer Bewohner im Stadtteil Altona liegt bei 26 Prozent, die meisten von ihnen sind Türken. Oft sprechen sie kein Deutsch und bleiben unter sich. „Bei uns erhalten die muslimischen Frauen eine neue Form der Freiheit, sie können sich nach dem Inlineskaten mit anderen Frauen unterhalten“, erklärt Otten.

Arzu Eksi, die zur ersten Stunde von ihrem Mann begleitet wurde, hat den Freitagnachmittag ganz allein für sich oder nimmt auch ihre drei Kinder gerne mit. „Hier kann ich etwas für mich machen“, sagt die 36-Jährige und fügt hinzu: „Ich will immer lernen.“

„Wir waren anfangs skeptisch, ob überhaupt Frauen kommen“, sagt Margarita Martinez vom Hamburger Sportbund. Doch habe die Mund-zu-Mund-Propaganda gut funktioniert. Die Altonaer Inlinebahn ist zum beliebten Treffpunkt geworden. Auch Shabana Saddiq kommt gerne hierher. Die junge Frau schiebt einen Einkaufswagen als Fahrhilfe vor sich her. Denn ohne, mit den vielen Rollen unter dem Schuhwerk, traut sie sich noch nicht zu laufen. „Mir macht es trotzdem Spaß“, sagt sie.

Das nächste große Ziel für die Frauen wird eine gemeinsame Ausfahrt an die Elbe sein. Übungsleiterin Britta Früh will ihnen praktische Tipps mit auf den Weg geben, wie Treppen steigen und ausweichen. Ob das Projekt in Altona nächstes Jahr wiederholt wird, steht derzeit noch nicht fest.

Sicher ist jedoch, dass die Teilnehmerinnen am 5. November die Straßenschuhe gegen ein anderes Paar tauschen werden: Dann wird die Eislauf-Saison in den Wallanlagen eröffnet. „Da werden die Frauen mit von der Partie sein, die wollen weitermachen. Egal, ob auf Rollen oder Kufen“, sagt Otten. Stefanie Zenke

Altonaer Turnverband von 1845 e. V.: Kirchenstraße 21, 22767 Hamburg, ☎ 38 30 16, www.atv-1845.de