der zeitzeuge
: Verbrechen an Bremen und verhinderte Hochhäuser

Bremen ist keine Stadt großartiger Architekturen – sehr zum Verdruss unter anderem von Eberhard Kulenkampff, der sich als Staatsrat im Bauressort (1974 bis 1987) immer darum bemühte, provokative Entwürfe nach Bremen zu bringen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Ressort war Kulenkampff noch sieben Jahre Chef der Gewoba.

taz: Um welches nicht verwirklichte Projekt tut es Ihnen am meisten leid?

Eberhard Kulenkampff: Um das „Musicon“. Dabei geht es ja nicht um ein bisschen Musik für die Schwachhauser, sondern um ein Zentrum des internationalen Konzertgeschehens. Ende der Achtziger Jahre haben wir voraus gesagt, dass alle bedeutenden Städte, die diesbezüglich noch nicht ausgestattet sind, entsprechend bauen würden. Jetzt schließt Hamburg für den Norden diese Lücke mit der Elbphilharmonie – und Bremen hat das Nachsehen.

Auf dem Verkehrssektor ist es ein Verbrechen, dass die Straßenbahn nicht in die Martinistraße verlegt wurde. Stattdessen fährt sie immer noch über Obernstraße und Marktplatz, also durch das Herz der Stadt. Aber dahin gehören Menschen und nicht Maschinen. Ein weiteres Vergehen besteht darin, dass Mahndorf nicht als Intercity-Bahnhof ausgebaut wurde. Schon jetzt wird auf der Strecke Ruhrgebiet-Hamburg der Umweg über den Bremer Hauptbahnhof zunehmend ausgelassen. Das ist eine vernichtende Entwicklung. Außerdem fehlt die Weserbrücke zwischen Neustadt und Europahafen.

Was hätte andererseits nie gebaut werden dürfen?

Der Spacepark.

Sie waren ja selbst lange an entscheidender Stelle tätig. Was stellt sich im Nachhinein als Fehler dar?

Wir hätten viel stärker auf die Förderung der Stadtteilzentren setzen müssen, etwa in Gröpelingen, Kattenturm oder Hemelingen. Dann wäre für die Bevölkerung die Versuchung nicht so stark gewesen, die neuen Zentren wie Weserpark und Hansa-Carrée so zu frequentieren. Deren Genehmigung haben wir vergeblich bekämpft. Mit diesen Zentren hat Bremen das Umland nachhaltig verprellt, dabei wäre es seine große Chance gewesen, sich als Mitte der gesamten Region zu positionieren.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Kelch, der architektonisch an Bremen vorüber gegangen ist?

Als ich hierher kam, waren neben Siemens-, Tivoli- und Bundeswehr-Hochhaus 12 weitere in der Innenstadt geplant. Die habe ich verhindert, und das ist ein Segen für Bremen.

Interv.: Henning Bleyl