In Pumuckels Maschinenpark

Diesen Sonntag ist eine der seltenen Gelegenheiten, das Bremer Tischlereimuseum zu besichtigen. Zwischen den Sägezähnen der Zeit trifft man Knochenleimtiegel, Furnierpressen und alte Meister

Bremen taz ■ Herr Gröne hat noch alle Finger, inklusive sämtlicher Kuppen. Obwohl er Tischler ist, und das seit 1947. Diese Vollzähligkeit unterscheidet Herbert Gröne von den meisten seiner Berufskollegen – nicht umsonst haben sie mit den höchsten Versicherungssatz bei der Berufsgenossenschaft. Aber eigentlich besuchen wir Herrn Gröne, weil er Fördervereinsvorsitzender des Bremer Tischlereimuseums ist.

Der zweite Eindruck beim Händedruck: der Hornhautpanzer. Kein Zweifel, sämtliche Werkzeuge, die in der Köpkenstraße versammelt sind, hat der Meister jahrzehntelang selbst bedient. Es ist eine große Werkstatt mit einem kompletten, um die hundert Jahre alten Maschinensatz, jede für sich ein gusseisernes Monster. „Die konnte man nach dem Krieg unter den Trümmern wieder hervorholen“, sagt Gröne. Als die Werkstatt 1944 einstürzte, hatte sie schon eine 60-jährige Geschichte hinter sich. 1888 hatten sich zwei benachbarte Tischler zusammengetan, um ein „Fabriketablissement mit Dampfbetrieb“ zu gründen, in dem die zahlreichen kleinen Souterrain-Tischler der Nachbarschaft ihre Hölzer bearbeiten ließen. Seit 1909 betrieb die Familie Otto die Werkstatt, 1986 war Schluss. Dann sollte der ganze Komplex abgerissen werden, wurde aber von der Tischler-Innung gekauft und als Museum erhalten.

„An dieser Säge haben auch sehr viele den Daumen verloren“, sagt Gröne auf dem Weg zur Unterflurkappsäge. Man glaubt es sofort, wenn die gezahnten Reihen des 60 Zentimeter-Sägeblatts aus dem Tisch auftauchen. Vielleicht ist es ja ganz gut, dass die Maschinen nur noch im Leerbetrieb laufen – und dass bei stark gedrosselter Geschwindigkeit. Technischer Hintergrund der Verlangsamung: Die 25 PS-Dampfmaschine, von der aus sämtliche Maschinen mittels meterlanger Transmissionswellen angetrieben wurden, läuft mittlerweile zu Demonstrationszwecken nur noch mit einem Elektromotor. Gröne: „Der alte Otto hat uns noch erzählt, wie die Lehrlinge um vier Uhr mit dem Anheizen beginnen mussten, damit um sieben genügend Druck für die Maschinen da war.“ Davon zeugt auch der achteckig gemauerte Schornstein, mit 21 einhalb Metern gerade hoch genug, um nicht unter den Schornsteinfeger-Zwang zu fallen. Solche trickreichen Details freuen den alten Meister.

Richtige Pumuckel-Gefühle bekommt man aber erst in der ebenfalls vorhandenen Tischlerwerkstatt von 1860. In einem Sack lagert Schellack-Granulat, mit dem Möbel lackiert wurden. Daneben köchelt Knochenleim, der mit einer Messerspitze chlorsaurem Kali wasserfest gemacht wird und vom Regal baumelt der Pesel, also das Geschlechtsorgan eines männlichen Schweins, das beim Fetten der Gerätschaften Anwendung fand.

In dieser prämaschinellen Phase waren die Hände aller Beteiligten relativ sicher. Aber die meisten Finger werden ja sowieso, laut Statistik, Freitag mittags und Montag morgens verloren. Der nächste Tag der offenen Tür, den das nur auf Anfrage geöffnete Museum veranstaltet, findet zum Glück am Sonntag statt.

Henning Bleyl

Tischlerei-Museum: Geöffnet am Sonntag zwischen 9 und 11 Uhr in der Köpkenstraße 18 - 20 (Milchquartier). Weitere Termine können unter Tel. (0421) 17 17 03 vereinbart werden.