KEIN GUTER TAG
: Empörend

In der Tasche genau 10 Cent zu wenig für die Kurzstrecke

Heute schaff ich alles, dachte ich morgens beim Aufwachen. Die Sonne schien. Der Tatendrang spritzte mir ins Blut wie injiziert. Und dann ging die Hälfte schief.

Zwei Pakete und einen Brief wollte ich bei der Post aufgeben. Den Brief und ein Paket bin ich losgeworden. Der Retourschein bei dem anderen war nämlich gar kein Retourschein, wie sich herausstellte, sondern nur ein Adressaufkleber. Ich sollte das selbst zahlen! Das musste zu Hause geprüft werden. Zu Hause fand ich heraus, dass ich die Retour echt selbst bezahlen sollte. Ich rief meinen Freund an und fluchte ins Telefon, bis Paul sagte, ich solle aufhören, ihn anzuschreien, er könne schließlich nichts dafür. „Aber ich bin so empört“, sagte ich, „denkst du nicht auch, dass es empörend ist?!“ – „Es ist empörend“, murmelte Paul und legte auf. Danach fuhr ich zum Paketshop statt zur Post, um die halbe Stunde Wartezeit zu sparen. War schließlich schon der halbe Tag rum. Und dann komme ich da an und stelle fest, dass ich mein Portemonnaie zu Hause vergessen habe.

Ich zurück, Geld geholt, Paket aufgegeben. Danach war ich fertig mit der Welt. Und dann hab ich das Kind überfahren. Auf dem Weg nach Hause. Mit dem Fahrrad. Zumindest fast. Es kam so plötzlich zwischen zwei Autos hervorgesprungen. Neun oder zehn muss das Mädchen gewesen sein. Sie blieb stehen, ich fiel um. „Entschuldigung“, stammelte die Kleine, „das tut mir leid!“, während ich irgendwas von „links und rechts gucken“ faselte.

Und dann fahre ich abends U-Bahn, weil es zu kalt ist für Fahrrad, da hab ich mein Portemonnaie schon wieder vergessen. Zum zweiten Mal an einem Tag! Und in meiner Jackentasche genau 10 Cent zu wenig für eine Kurzstrecke. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich beim Schwarzfahren erwischt werden würde. Es wäre der passende Abschluss für diesen Tag gewesen. Ich bin enttäuscht von der BVG! LEA STREISAND