Wochenschnack
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Psychologisch demaskiert

Homestory LeserInnen kritisierten das von Christian Schneider in der taz gezeichnete Porträt Frauke Petrys. Dann folgte der Protest gegen den Protest

Sie kann auch anders als süffisant grinsen: Frauke Petry Foto: Michael Sohn/ap

Verharmlosend

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

Ihre verharmlosende „Homestory“ über die AfD-Vorsitzende Petri ist anbiedernd und widerlich. Will die taz eine weitere Koalitionsoption für die Grünen auf den Weg bringen? JOSEF ADRIAN, Husum

Schubladendenken

betr.: „Zu wenig kritisches Nach­haken“, taz vom 15. 10. 16

Ich bin selbst Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und Coach. Von daher kann ich das offensichtlich menschliche Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion bei den KritikerInnen des Artikels gut verstehen. Es ist einfacher, wenn man Menschen in Schubladen stopfen kann und wenn entsprechend Frau Petry nur „böse“ ist. Allerdings ist dann wohl die Auswirkung, dass man – solange man sich nach außen hin politisch korrekt ausdrückt – sie halt irgendwie aushalten muss, aber auf einer emotionalen Ebene liegt vermutlich viel näher, ihr alles Böse zu wünschen und damit genau den emotionalen Boden zu bereiten für die menschenfeindliche Haltung (in dem Fall ihr gegenüber), die die taz-Leser wohl überwiegend bei der AfD den Flüchtlingen und anderen Unterprivilegierten gegenüber massiv ablehnen. Leider unterscheidet sich diese Haltung dann nicht mehr grundlegend von Pegida & Co, nur die Zielperson ist eine andere. Das bringt nicht die doch wohl gewünschte humanere Gesellschaft. Für mich war eine enorm wichtige Erkenntnis aus dem Artikel, dass bei Frau Petry das legitime und menschliche Bedürfnis nach Geborgenheit und Familie von ihr auf die genetisch-deutsche Nation projiziert wird. Wenn dieses Bedürfnis sich statt auf Nation auch erstrecken könnte auf einen gemeinsamen Staat mit Menschen verschiedener Herkunft, dann wären zumindest aus meiner Sicht doch wohl ganz andere, humane Lösungsansätze viel eher denkbar. Und ja, es ist anstrengend, differenzierter als nur in Schubladen zu denken. Und zumindest ich lese die taz, weil ich mich genau dabei von ihr sehr gut unterstützt fühle.

WOLFGANG BICKEL, Köln

Gerne mehr davon

betr.: „Streit über Frauke P.“, taz vom 15. 10. 16

Liebe tazlerInnen, das Feature des Psychologen Christian Schneider über Frauke Petry war für mich einer der interessantesten Beiträge in der taz in letzter Zeit. Dass sich daran Diskussionen und Streit entzünden und manche den psychologischen Ansatz des Autors nicht verstehen: na, klar. Nein, es ist nicht notwendig, zu einem Porträt über die Person Frauke Petry ihre politischen Ansichten und Ziele extra zu erwähnen. Bei taz-LeserInnen darf man die als bekannt voraussetzen, es wird sehr viel über die AfD berichtet, analysiert, kommentiert. Aber dieses Porträt bot einen anderen Zugang, einen, mit dem man in Ansätzen verstehen konnte, wie diese Menschen und ihre Parteichefin ticken. Das ist eine wertvolle Ergänzung zur politischen Bericht­erstattung und ich möchte gerne mehr davon in der taz.

GUNHILD SEYFERT, Osnabrück

Irritationswillen

betr.: „Zu wenig kritisches Nach­haken“, taz vom 15. 10. 16

Den vielen auf den Leserbriefseiten abgedruckten Klagen über dies oder das, was in der taz zu lesen war – in letzter Zeit namentlich: Bundeswehranzeigen und Christian Schneiders Petry-Porträt – möchte ich gerne eine hinzufügen: Mich nerven just diese Leserbriefe, die nur eines leisten: Sie demonstrieren, dass ihre Verfasser von dem Wunsch beseelt sind, in ihrem Weltbild nicht irritiert zu werden. Es ist grundsätzlich wichtig zu wissen, dass es solche Menschen in großer Zahl gibt; aber dazu bedarf es des Abdrucks der Leserbriefe nicht, denn das Phänomen begegnet einem allenthalben.

Ich schreibe das nicht um des Klagens willen (was nichts bringt), sondern um Ihnen mitzuteilen, dass ich (wie sicherlich viele andere Leser*innen) Irritationen gerne aushalte, wenn sie der taz Geld bringen (Bundeswehranzeigen), beziehungsweise mich über sie freue, wenn sie mir ermöglichen, über einen Sachverhalt aus einer neuen Perspektive nachzudenken. Kurz: Ich möchte die taz dringend bitten, sich in ihrem Irritationswillen nicht irritieren zu lassen. WOLFGANG LUDWIG-MAYERHOFER, Siegen

Nicht einseitig

betr.: „Zu wenig kritisches Nach­haken“, taz vom 15. 10. 16

Die taz schreibt immer wieder hervorragende Artikel, die uns Lesern einen Blick über den Tellerrand ermöglichen und unseren Horizont erweitern. Frau Petrys politische Bestrebungen und Ansichten mögen uns nicht gefallen. Aber erwarten die linken, aufgeklärten, weltoffenen, intellektuellen Leser nicht auch von anderen Menschen, dass man sich eine Meinung bildet, die nicht einseitig ist? Dass man sich für Andersdenkende interessiert, allein schon weil sie anders denken? Herr Schneider hält dem Leser einen Spiegel vor: Auch wenn Frau Petry in meinen Augen unhaltbare politische Positionen vertritt, ist sie ein interessanter Mensch, der durch den hinter ihr liegenden Lebensweg geformt wurde. Nichts anderes dürfen wir in Herrn Schneiders Artikel lesen. KATRIN MÜLLER, Bonn

Das ist gruselig

betr.: „Zu wenig kritisches Nachhaken“, taz vom 8. 10. 16

Nein, weder zu privat, noch Verharmlosung, noch banal. Der Artikel von Christian Schneider demaskiert Frauke Petri auf menschenfreundliche Art: Die Aussage „Ich bin nicht gerne alleine“ charakterisiert eine kindliche Persönlichkeit, die, wenn Erwachsene sie beibehalten, unglaubliches Machtpotenzial entwickeln kann.

Sehr schön wird dieses Problem deutlich in dem Artikel von Paulina Unfried. Und natürlich in den Leserbriefen und der beschriebenen Unruhe der taz-Redakteure: Wir unterliegen dem Machtmechanismus „Ich bin nicht gerne alleine“ ja alle – mehr oder weniger, er ist so menschlich, kommt von der ersten Symbioseerfahrung im Mutterleib, ohne die wir nicht leben würden, und macht in der Tat Petry menschlich verständlich. Kein teuflisches Lächeln. „Nur“ Angst vor dem Alleinsein. Das ist gruselig. Sind wir etwa anfällig?

Der Ton macht die Musik, das Umfeld lässt keinen Zweifel: Die taz ist nicht anfällig.

HEIDE MARIE VOIGT, Bremen

Unkritischer Artikel

betr.: „Streit über Frauke P.“, taz vom 15. 10. 16

Liebe taz-Redaktion, darf ich Euch daran erinnern, dass Ihr schon mal einen ziemlich unkritischen Artikel über Frauke Petry (eine Doppelseite mit einer freundlich lächelnden zukünftigen AfD-Spitzenpolitikerin) abgedruckt habt, geschrieben damals von Sabine am Orde im Juni 2015, allerdings enthielt der Text – ganz nebenbei – einige deutliche Hinweise auf die wahre psychologische Struktur dieser Frau (ihre vier Kinder brachte sie so früh wie möglich in die Kita, ihre eigene Unabhängigkeit war ihr wichtiger: „Diese Zwangsjacke, zu Hause bei den Kindern bleiben zu müssen, die würde ich keiner Frau mehr anziehen“ – so viel zum Thema Familienbewusstsein!).

Schade, dass die kritischen Stimmen unter Euch sich nicht durchsetzen konnten. DETLEF SCHEFFEN, Berlin