„Ziemliche Zweifel an Sanktionen“

Die vier Fragezeichen

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WAS? Die Grünen forderten gegenüber Russland zuletzt klare Kante. Parteichef Cem Özdemir und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprachen sich wegen der Luftangriffe auf Aleppo für eine Flugverbotszone und neue Sanktionen aus. In der taz widerspricht ihnen der Parteilinke Jürgen Trittin.

1taz.am wochenende: Herr Trittin, der Europäische Rat hat sich dagegen entschieden, mit neuen Sanktionen zu drohen. Zu Recht?

Jürgen Trittin: Das kam zumindest nicht überraschend. Im Kanzleramt hatte man schon in der vergangenen Woche daran gezweifelt, dass es innerhalb der EU einen Konsens geben wird. Deswegen hatte ich auch mit Verwunderung die Diskussion zur Kenntnis genommen, die in Deutschland darüber geführt wurde.

2An der Diskussion beteiligten sich auch die Grünen. Lagen Özdemir und Göring-Eckardt mit ihrer Sanktionsforderung falsch?

Sanktionen wirken nicht, wenn nur einzelne Staaten sie tragen. Und wenn, wirken sie langfristig. Den Menschen in Aleppo läuft aber die Zeit davon. Wir brauchen schnell eine lange Unterbrechung der Kampfhandlungen, um humanitäre Hilfe für die Menschen zu ermöglichen. Ich habe ziemliche Zweifel daran, dass Sanktionen dazu taugen, dieses Ziel zu erreichen.

3Was taugt stattdessen?

Es gibt keine Alternative zu Verhandlungen mit denen, die dort militärisch aktiv sind. Ja, darunter sind Leute, die Kriegsverbrechen begehen. Aber verantwortungsvolle Außenpolitik basiert nicht auf moralischer Empörung und schönen Forderungen. Am Ende ist entscheidend, dass das Ziel erreicht wird. Deswegen ist die Haltung richtig, die Steinmeier an den Tag legt: Es war klug, Russland durch Gespräche zu einer Unterbrechung der Kämpfe zu bringen. Wir müssen mehr Makler als Mahner sein.

4Was halten Sie von einer Flugverbotszone?

Wer eine Flugverbotszone für Syrien fordert, sollte die Konsequenzen bedenken. Eine Flugverbotszone könnten nur die Amerikaner durchsetzen. Das liefe also auf eine militärische Konfrontation zwischen den USA und Russland raus. Daran haben beide Seiten kein Interesse und das ist auch klug so.

Interview Tobias Schulze

Jürgen Trittin, 62, ist ehemaliger Partei- und Fraktionschef der Grünen und sitzt inzwischen im Auswär­tigen Ausschuss des Deutschen Bundestags.