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Brauchen wir mehr direkte Demokratie?

Volksgesetzgebung Am vergangenen Wochenende kritisierten wir die Forderungen des Hamburger Vereins „Mehr Demokratie“

Albtraum des schwarz-grünen Senats: Walter Scheuerl (r.) und Unterstützer von der Initiative „Wir wollen lernen“, die 2010 in Hamburg die Schulreform per Volksentscheid stoppten Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Übertrieben alarmistisch

betr.: „Wider die Diktatur der Querulanten“, taz.nord vom 15./16. 10. 16

Aktuell gilt im Bundesland Hamburg ein Zustimmungsquorum von 20 Prozent der Abstimmungsberechtigten. Das scheint ja in Ordnung zu sein, es wird vom Kommentator ja auch nicht gefordert, es höher zu setzen. Warum aber ist eine 20-Prozent-Minderheit in Ordnung, eine Absenkung auf 13 Prozent jedoch befördert gleich die „Spaltung der Gesellschaft“?

Und zum sogenannten „Referendum von oben“: Es gibt gute Gründe, warum eine solche Form der Volksabstimmung in der Schweiz, im „Mutterland“ der direkten Demokratie, nicht gebräuchlich ist. Gerade haben wir beim Brexit in Großbritannien gesehen, wie so eine „Volksbefragung“, aus Parteiräson lanciert, nach hinten losgegangen ist. Der Initiator der Befragung ist abgetreten, weil das Ergebnis ihm nicht passte, aufräumen müssen jetzt andere.

Es zeigt sich: Wird Zustimmung zum Projekt erwartet (Brexit) oder müssen weitreichende Entscheidungen gegen spätere Kritik abgesichert werden (Olympia in Hamburg), wird befragt, kaum aber, wenn eine Ablehnung des parlamentarisch eingeschlagenen Wegs zu erwarten ist. Das ist nicht direkte Demokratie, sondern Bürgerbeteiligung nach Gusto und Interessenlage. Der Instrumentalisierung des Volkes wird hier Tür und Tor geöffnet.

Zusammenfassend: Man kann begründete Kritik am Vorschlag des Vereins vorbringen, z. B. die variable Bindung des Zustimmungsquorums an die letzte Wahlbeteiligung oder die hohe Komplexität des Gesamtvorschlags. Die im Kommentar vorgebrachte Kritik hingegen ist übertrieben alarmistisch und, was das „Referendum von oben“ angeht, schlicht nicht zu Ende gedacht.V. OHNELAND, taz.de