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Eisige Mission in 720 Kilometer Höhe

Klimaforscher schicken heute den europäischen Satelliten Cryosat ins All. Mindestens bis 2008 soll er die Veränderungen der Eiskappen an Nord- und Südpol messen. Eis spielt für die Erderwärmung eine große Rolle, ist bislang aber kaum erforscht

AUS BERLIN KENO VERSECK

Schmilzt das Eis in den Polgebieten oder nicht? Haben die Forscher Recht, die in den letzten Jahren vor einem Anstieg der Meeresspiegel und der daraus folgenden Klimakatastrophe warnten? Noch ist über die Veränderungen des irdischen Eispanzers wenig bekannt. Nur so viel steht fest: Vom Abschmelzen der Polkappen hängt ab, ob der Meeresspiegel steigt oder sich warme Meeresströmungen wie der Golfstrom verlagern. Damit spielt das Eis eine besondere Rolle für das Klima.

Darum wollen Wissenschaftler nun die Eisgebiete genauer vermessen. Heute starten sie für die Klimaforschung eine 136 Millionen Euro teure Weltraummission. Um 17 Uhr mitteleuropäischer Zeit starten sie einen neuen Satelliten der europäischen Raumfahrtagentur ESA: Cryosat wird auf einer umgebauten russischen Interkontinentalrakete des Typs SS-19 vom Militär-Weltraumbahnhof Plessezk in Nordwestrussland ins All geschickt. Dort soll er über drei Jahre lang erforschen, ob und wie stark das Eis in Arktis und Antarktis schmilzt.

Cryosat soll erstmals nicht nur die Flächenausdehnung beobachten. Er soll vor allem auch die Veränderung der Eisdicke messen. Der Satellit wird dazu auf eine 720 Kilometer hohe Umlaufbahn gebracht, die fast genau über die Pole der Erde führt. Das wissenschaftliche Instrument des Satelliten ist ein Radar, der Strahlungspulse zur Erdoberfläche aussendet. Aus Laufzeit und Art, wie sie reflektiert werden, können Flächen und Stärke von Eisschichten berechnet werden. Darüber hinaus werden einige Wissenschaftler regelmäßig in die Polargebiete fliegen und Stichproben machen.

Die bisherigen Daten, etwa aus Missionen wie Icesat von der Nasa, haben nur ein beschränktes und widersprüchliches Bild über Veränderungen der Eisgebiete geliefert. In der Arktis geht die Fläche des Meereseises deutlich zurück. Ob aber auch das gesamte Volumen schrumpft, ist bisher nicht ganz klar. Auf jeden Fall gab es in den letzten Jahrzehnten periodische Schwankungen. Und seit etwa zehn Jahren nimmt die Masse wohl auch insgesamt ab. In der Antarktis ist das anders. Dort dehnt sich das Meereseis leicht aus. Das Inlandseis wird in der Antarktis und auf Grönland dicker.

Die Forscher rätseln nun, ob Eis infolge einer globalen Erwärmung tatsächlich schmilzt, oder ob sich die Masse des Eises nur verlagert. Das Klima ist jedenfalls ein extrem komplexes und chaotisches System. Deshalb reichen schon die kleinsten Veränderungen bei den Ausgangsbedingungen in Computersimulationen aus, um zu völlig verschiedenen Ergebnissen zu gelangen.

Eines der derzeit gängigen Szenarien prognostiziert eine Klimaveränderung durch die starke Schmelze des arktischen Polareises. Diese könnte wiederum zu einer Unterbrechung des atlantischen Strömungssystems führen. Die Eisbildung in den Nordpolargebieten um Grönland, wie sie derzeit stattfindet, bewirkt dazu eine erhöhte Salzkonzentration im Meerwasser. Das bekommt so eine höhere Dichte, sinkt ab und erzeugt wie eine Pumpe einen gigantischen Strömungseffekt. Dieser ist möglicherweise so stark, dass zum Beispiel der Golfstrom abreißen könnte. Weil er als Warmwasserheizung für Europa gilt, könnten die Menschen hierzulande eine neue Eiszeit erleben.

Für die Cryosat-Experten ist das allerdings nur ein „hochspekulatives“ Szenario. „Wir müssen erst einmal die Physik des Eises in den Polargebieten verstehen“, so der britische Geophysiker Duncan Wingham. „Die Daten aus bisherigen Missionen sind bei weitem nicht so genau wie es die Klimamodelle erfordern.“

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