Wochenschnack
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Nicht eben vertrauensbildend

Wallonien Viele Menschen in den EU-Staaten misstrauen dem Ceta-Abkommen. Doch nun stimmt auch Belgien dem Freihandelsabkommen zu

Ceta-Gegner in Brüssel. Belgiens Regierung stimmt für Ceta Foto: dpa

Kernproblem

betr.: „Wallonien ist überall“,taz vom 26. 10. 16

Das Kernproblem bleibt weiterhin, dass sich die Befürworter des Abkommens weigern, mit den Skeptikern über die konkreten Inhalte im Detail zu diskutieren, obwohl es sogar mittlerweile akademische Studien, wie etwa an der Tufts-University in Boston, gibt, die bei einem erfolgreichen Abschluss gerade für den ohnehin schon extrem gebeutelten Süden Europas einen zusätzlichen Arbeitsplatzabbau auf Grund der neuen, kostengünstiger produzierenden Konkurrenz vorhersagen. Deshalb kann man selbst als überzeugter Anhänger der europäischen Idee gar nicht deutlich genug sagen, dass leider vor allem die EU-Kommission mit ihrer fehlenden Selbstreflexion hauptverantwortlich für den politischen Gesichtsverlust gegenüber Kanada ist!

RASMUS PH. HELT, Hamburg

Zusehen?

betr.: „Wallonien ist überall“,taz vom 26. 10. 16

Endlich beginnt die Diskussion von den Regionen her: In Kanada hat das Kapital bei der Produktion deutlich weniger Umweltauflagen als in Europa oder auch in den USA. Nicht ohne Grund siedeln sich in und um Toronto immer mehr auch europäische Unternehmen an, die Fracking-Sauereien im Mittelwesten finden auch kaum örtlichen Widerstand. Denn Kanada ist ein Einwanderungsland: Im Westen aus China (Hongkong!) und im Osten aus Osteuropa . Und diese Menschen denken nur an ihren Arbeitsplatz, die Bewahrung der Natur steht erst unter ferner liefen. Sollen wir in Europa zusehen, wie unsere Umweltstandards durch preiswertere und widerstandslose Produktion unterlaufen werden? Nein, die Wallonier haben Recht mit ihrem Widerstand, wenn durch diese ungleichen Handelsabkommen jetzt sogar die Landwirtschaft ihre Existenzberechtigung verliert, sie setzen Politik vor Wirtschaftinteressen , Selbst-bestimmung vor ökonomischer Unterwerfung. Die Antithese zur Globalisierung heißt: Regionalisierung. Rückkehr zu kleineren Wirtschafteinheiten.

DIETMAR RAUTER, Kronshagen

Erpressbar

betr.: „Das Misstrauen ist berechtigt“, taz vom 26. 10. 16

Leider haben wir kapitalismus-kritischen Menschen die vielen schon abgeschlossenen derartigen Verträge nicht schon vor 25 Jahren aufs Korn genommen: Sie haben, bewusst hinter für die Öffentlichkeit verschlossenen Türen ausgeheckt, Stück für Stück das zentrale Hindernis für die ungehemmte Entfaltung des neoliberal radikalisierten Kapitalismus angegriffen: Die Demokratie. Es wurden Institutionen wie die WHO, der IWF und die von der Politik unabhängigen Zentralbanken etabliert, die dafür gesorgt haben, dass demokratisch gewählte Regierungen finanziell entmachtet und damit erpressbar wurden. Die Folgen haben wir in den letzten Jahren, besonders nach der Finanzkrise, in der europäischen Austeritätspolitik alle zu spüren bekommen.

„Lobbyismus“ ist im Grunde ein beschönigender Begriff: Die Konzerne und Banken beeinflussen nicht nur, sie dominieren die Politik (ihre Vertreter hocken zum Beispiel in den Ministerien und schreiben Gesetzestexte). Es werden Verträge abgeschlossen, die von den Parlamenten praktisch nicht mehr verändert oder zurückgenommen werden können.

Das propagandistische Einprügeln auf die Wallonie macht deutlich: Regionale Demokratie, die Selbstbestimmung der Menschen über ihre unmittelbaren Lebensumstände, die Dezentralisierung der Macht ist das Angriffsziel. Die Protagonisten des Freihandels können – wie Ulrike Herrmann zu Recht schreibt – schon lange nicht mehr begründen, welchen Nutzen diese Verträge für die Menschen haben: Sie sind zu Ausführungsbestimmungen einer Freihandels-Religion geworden, die ihre Dogmen zunehmend mit Gewalt gegen die Menschen durchsetzt. WOLFGANG NEEF, Berlin

Hände weg

betr.: „Wallonien ist nicht allein“, taz.de vom 25. 10.16

Danke an Malte Kreutzfeldt für seine objektive Sichtweise. Ich hätte nicht gedacht, dass sich fast die gesamte deutsche Presse in diesen Tagen so vehement und einseitig hinter die EU-Ceta-Erfinder stellt.

Ein so weitreichendes und unkündbares Abkommen, das bis zu einem Stichtag mit allen Mitteln durchgepeitscht werden soll, da es sonst nicht mehr akzeptiert wird, kann nicht gut sein. Hände weg von Ceta. Es passt nicht mehr für die Zukunft der Erde.

MISANTHROP, taz.de

Nachgeplappert

betr.: „Wallonien ist nicht allein“, taz.de vom 25. 10. 16

Seit Tagen schreibe ich in diversen „Qualitätsmedien“ gegen die Phalanx der Nachplapperer an, die uns unisono verkünden wollen, wie schrecklich es ist, dass da so ein kleines regionales Parlament seine demokratischen Rechte in Anspruch nimmt. Noch schlimmer, weil wahrheitswidrig, ist die zugleich verbreitete Behauptung, die EU hätte Ceta ohne Not zur Mitentscheidung durch die Mitgliedsstaaten freigegeben. BITBÄNDIGER, taz.de

In Ordnung

betr.: „Wallonien ist nicht allein“, taz.de vom 25. 10. 16

Danke. Es ist die Aufgabe der Wallonie, das zu ratifizieren oder nicht. Und wenn sie es nicht tun, dann ist das vollkommen in Ordnung für jeden mit Ausnahme der Kommission, die es verhandelt hat.

ANSGAR REB, taz.de

Nichts verstanden

betr.: „Freihandel auf Eis“, taz.de vom 24. 10. 16

bankenkrise, flüchtlingskrise, brexit, ttip-proteste, ceta-ablehnung – das echo aus brüssel „ja, wir haben verstanden, liebe bürger“: nichts, aber auch gar nichts habt ihr verstanden, liebe willfährige vollstrecker in einem europa, das sich nur den finanz- und wirtschafts-interessen der oligopole unterordnet: ein staatenbund, der ohne seine bürger kein recht auf bestand hat.

HANUMAN, taz.de

Ausgefuchst

betr.: „Freihandel auf Eis“, taz.de vom 24. 10. 16

Ich bewundere die Wallonen für ihren Mut, die Wahrheit zu erkennen und sich auch gegen eine erdrückende Mehrheit aufzulehnen. Die ganze Geheimniskrämerei, ausgefuchste Lobbyarbeit über den Willen der Bevölkerung hinweg, ist nicht eben vertrauensbildend.

LÄUFER, taz.de

Abtreten

betr.: „Freihandel auf Eis“, taz.de vom 24. 10. 16

Dass in der EU zunehmend Schuldzuweisungen erfolgen, ist eine traurige Tatsache, welche eigentlich bloß von eigenen Versäumnissen ablenken soll. Seit Anbeginn der EU wird fast nur mehr gegenseitig die Justiz bemüht, Kompetenzen hin- und hergeschoben und Schuldzuweisungen ausgesprochen: Das soll politische Arbeit sein? Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass die EU noch ein zukunftsträchtiges Projekt werden kann, aber dazu müssen die zurzeit aktiven (und blinden) Leitfiguren abtreten und wirklich kreative und sozial denkende Menschen in ihre Positionen lassen.

FRANZ FURTLEHNER, taz.de