Unfrei im Land der Freien

USA Amy Goodman wird für ihre Berichterstattung über die Repression in North Dakota nicht bestraft – vorerst. Aber das Eis für kritische Medien ist dünn geworden

Amy Goodman mit Unterstützern in Mandan, North Dakota am 17. Oktober Foto: Mike McCleary/ap

von Bernd Pickert

Die bekannte US-Journalistin Amy Goodman wird nicht angeklagt. Das entschied am Montag ein Bezirksrichter in Morton County im Bundesstaat North Dakota. Die 59-jährige Gründerin, Chefin und Moderatorin des Nachrichtenprogramms Democracy Now! war am Freitag vom Bezirksstaatsanwalt Ladd Erickson beschuldigt worden, am 3. September in North Dakota an Krawallen im Zusammenhang mit Protesten gegen die Dakota Access Pipeline beteiligt gewesen zu sein.

Tatsächlich hatten Goodman und ihr Team an dem Tag die Proteste gefilmt – ein Video, das zeigte, wie private Sicherheitsleute des Pipeline-Unternehmens mit Pfefferspray und Hunden gegen Demonstranten vorgingen, war millionenfach im Netz angesehen und von etlichen großen TV-Sendern ausgestrahlt worden.

Goodman, die am Montag erneut nach North Dakota gereist war, um sich im Falle einer Anklage den Behörden zu stellen, hatte stets angegeben, lediglich ihren Job als Journalistin gemacht zu haben. Auch der Richter sah keinerlei Beweise für eine Beteiligung Goodmans an irgendwelchen Gewalthandlungen und verwarf die Klage.

Staatsanwalt Erickson hatte vergangene Woche gegenüber der Lokalzeitung Bismarck Tribune gesagt, Goodman „ist im wesentlichen eine Demonstrantin. Alles, was sie berichtet, ist aus der Position der Rechtfertigung der Proteste.“ Als ob das verboten wäre.

Goodman und ihr Programm Democracy Now! sind in der Tat bekannt dafür, stets denjenigen in ihren Sendungen eine Stimme zu geben, deren Ansichten in den großen Sendern und Printmedien kaum Gehör finden. So auch im Fall der Proteste rund um die Dakota Access Pipeline. Die insgesamt auf knapp 1.900 Kilometer geplante Pipeline durch die Bundesstaaten North Dakota, South Dakota, Iowa und schließlich Illinois soll künftig rund 470.000 Barrel Öl pro Tag transportieren, das aus riesigen Frackingfeldern in North Dakota gewonnen werden soll.

In North Dakota wehren sich seit Frühjahr diesen Jahres die Sioux-Indigenen der Standing Rock Reservation gegen den Bau. Sie klagen, die Pipeline solle sowohl über Grabstätten als auch über heiliges Land führen – zumal sei die Trinkwassersicherheit bedroht. Tatsächlich war die Baugenehmigung ohne die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt worden. Mehrere Bundesministerien in Washington veröffentlichten im September eine gemeinsame Erklärung gegen die Genehmigung.

North Dakotas republikanischer Gouverneur Jack Dalrymple sieht das anders. Mit dem Anwachsen der Proteste – inzwischen ist im Protestcamp südlich von Bismarck eines der größten Zusammentreffen nordamerikanischer Indigener der letzten Jahrzehnte entstanden – aktivierte er die Nationalgarde.

In North Dakota wehren sich seit Frühjahr diesen Jahres Sioux-Indigene der ­Standing Rock Reservation gegen den Bau einer ­Pipeline

Democracy Now! blieb bei den Protesten und berichtete von einem immer militarisierteren Auftreten der Polizei. Immer wieder gehen aus North Dakota, aber auch von anderen Antipipeline-Protesten in den USA, Videos durchs Netz, die massive Repression durch die Polizei zeigen. Das ist der unangenehm. Ihre Festnahme bewertet Goodman daher als Versuch, eine freie Berichterstattung zu verhindern.

Das Thema Pressefreiheit ist auch im Wahlkampf ständig präsent. Gerade hat das Committee to Protect Journalists (CPJ) eine Warnung vor Donald Trump veröffentlicht. Der republikanische Kandidat zeige immer wieder eine gefährliche Geringschätzung für die im ersten Verfassungszusatz garantierte Pressefreiheit. Vielmehr habe Trump mehrfach gedroht, im Falle seiner Wahl neue Gesetze einführen zu wollen, um Klagen gegen Medienbetriebe zu erleichtern. Und ähnlich wie Pegida in Deutschland mit ihren „Lügenpresse“-Rufen beschuldigt auch Trump die Medien ­immer wieder der interessegeleiteten Falschberichterstattung.

Aber auch unter PräsidentBarack Obama, der einst mit dem Anspruch angetreten war, absolute Transparenz werde ein Markenzeichen seiner Regierungszeit sein, ist die Luft für kritischen, investigativen Journalismus dünner geworden. Noch nie wurde so hart und so umfassend gegen Whistleblower vorgegangen wie unter diesem Präsidenten.