Wochenschnack
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Zu wenig kritisches Nachhaken

Weichzeichner Psychologe Christian Schneider porträtiert Frauke Petry: Sie suchte als Kind nach Spielkameraden und hat nun die AfD gefunden

„Dieses teuflische Lächeln“ finden viele gruselig Foto: ap

Lasst das bleiben

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

Eine Seite lang lässt sich Herr Schneider über Petrys Psyche aus. Wozu? Ich hab kein Interesse, dass die AfD mehr Räume besetzt als zwingend notwendig. Sie versucht es überall mit parlamentarischen Anfragen, beim Besuch von queeren Lokalen usw. usf. Und Ihr müsst ihnen noch eine ganze Seite geben! Da wird mir übel.

Es gäbe so vielen positiven Journalismus, der nicht genug Platz findet. Berichte über Menschen, die die Welt anders denken, bunt denken und nicht sexistisch, machtgeil und rechtspopulistisch. Es gibt unzählige Frauen, die sich für diese Seite eignen würden, die wirklich was zu erzählen haben und was bewegen können. Lasst das bleiben!

KIRSTEN HEININGER, Berlin

Zu privat

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

Ich finde es richtig, politische Gegner differenziert zu Wort kommen zu lassen. Allerdings ist Christian Schneiders Porträt unerträglich, da es sie emotionalisierend aufs Private reduziert und vom Wesentlichen ablenkt: den polarisierenden, xenophoben, Gesellschaft spaltenden Hass-Botschaften der AfD. Die positive Darstellung wird noch durch „niedliche“ Fotos akzentuiert.

Kein Interview ist „neutral“: Durch Wahl des Interview-Gegenstandes werden auch Inhalte beziehungsweise die politische Richtung vorgegeben. Wenn die taz AfD-VertreterInnen schon ganzseitig Platz zur Selbstdarstellung einräumt, hätte ich mir statt nach Verständnis heischender Familienstories einen Fokus des Autors darauf gewünscht, welche Hintergründe Frau Petry zu ihren rassistischen, menschenverachtenden Äußerungen über Flüchtlinge motivieren, und wie sie sich vorstellt, dass die AfD – rhetorisch, aber zum Beispiel auch steuer- und umverteilungspolitisch – konstruktiv zu besserem sozialen Zusammenhalt statt zum Stiften von Hass und weiterer gesellschaftlicher Spaltung beizutragen gedenkt?

ULRIKE BICKEL, Berlin

Verharmlosung

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

Was soll ein derartiges Psychogramm? Es mag für das persönliche Umfeld von Frau Petry wichtig sein, dass sie nicht gerne allein ist, mich verließ jegliches Verständnis hinsichtlich des Tenors Ihres Artikels. Frau Petry handelt im politischen Raum, unabhängig von Ihren Befindlichkeiten sind Ihre Aussagen gefährlich bis menschenverachtend. Ihr Artikel vernachlässigt total die politische Dimension, das politische Handeln von Frau Petry. Frau Petry funktionalisiert, „missbraucht“ gerade die Menschen, die gesellschaftlich vernachlässigt werden, für ihre rechtspopulistischen Zwecke. Die Bagatellisierung von Armut ist Teil der Ideologie Petrys und der AfD.

Eine derartige Verharmlosung ist gefährlich, das hat Frau Petry nicht „verdient“. PETER STOLT, Hamburg

Chance vertan

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

„Wie wird es weitergehen? Politisch meint sie das zu wissen: 2017 Einzug in den Bundestag, 2021 stärkste Fraktion ...“

Bei solchen Portraitierungen dürfen wir uns nicht wundern, wenn es in einigen Jahren tatsächlich zu einem solchen Wahlergebnis kommt. Lieber Herr Schneider, erstens bringt man den Namen „Frauke Petry“ und das Gender-Sternchen nicht zusammen in einem Satz unter.

Diese Despektierlichkeit gegenüber den Gender- und Queer-Studies rührt von einer absolut nicht vorhandenen Geschlechtersensibilität – freilich lässt sich die Stelle aber auch als kleiner Affront gegen Petry selbst lesen. Zweitens kann es, als promovierter Kulturwissenschaftler und Sozialpsychologe, nicht sein, dass Sie die plakatierte Offenheit und Neugier Petrys nicht als unmissverständlichen Schleier aufdecken: Dahinter verbirgt sich nämlich rassistisches, homophobes, sexistisches, nationalistisches und ein mit Ressentiments übersätes Denken.

Lieber Herr Schneider, sie hatten eine große Chance. Nun haben Sie ebendiese vertan. Mit so wenig kritischem Nachhaken spielt man der AfD in die Hände. Ich kann mir Petrys Grinsen beim Lesen des Artikels vorstellen: Ein Bild, welches zukünftig vermieden werden muss!

DAVID PRINZ, Köln

Sehr verärgert

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

Der Beitrag über Frauke Petry hat mich sehr verwundert. Was war Ihr Ziel bei diesem Beitrag. Wenn ja Frau Petry sich nicht mal zu politischen Themen äußern wollte, verstehe ich Ihren Ansatz nicht! Zwischen den Zeilen war eine leichte Analyse der gestörten Persönlichkeit von Petry zwar zu lesen, jedoch haben die Formulierungen eher Sympathie für diese Frau geweckt! Das hat mich als taz-Leserin sehr geärgert!

NILGÜN TASMAN, Stuttgart

Banale Story

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

Man glaubt es kaum: Meine taz hält es für richtig eine in ihrer Banalität kaum zu unterbietende Human-Interest-Story über Frauke Petry zu veröffentlichen. Was erfahren wir?

Ein fleißiges Mädchen aus der DDR sucht Spielkameraden usw. usw. Wenn man schon psychologisierend sich dieser rechtsradikalen Nationalistin zu nähern gedenkt, wäre es doch zumindest angebracht gewesen, die Frage zu stellen, welche Momente ihrer Biografie denn diesen Hass und die Verachtung aller anders Denkenden hervorgebracht haben? Nichts davon.

Jemanden, der im öffentlichen Diskurs arrogant grinsend jegliche Kritik wegwischt, der tatsächlich meint, einzig legitime Vertreterin des „Volkes“ zu sein und sich dazu übelster Begrifflichkeiten des deutschen Faschismus bedient (völkisch), in dieser Form zu porträtieren, zeigt ein Maß an Naivität und politischer Blindheit, das ich unerträglich finde.

THOMAS WIEMEYER, Kassel

Keine Antworten

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

Die Homestory auf der Seite „Politik“ über Frau Petry hätte ich in dieser Form nie erwartet. Selbst wenn sie auf der Seite „Gesellschaft“ erschienen wäre.

Doch der Artikel strotzt vor Verständnis und Anerkennung. Keine Frage zu den rechts-nationalen Zielen, keine Frage zu dem nationalen Gedankengut der AfD, überhaupt kein Satz, der verdeutlicht, dass der Reporter für eine Zeitung schreibt, die, hoffentlich, nicht die Ziele der AfD verfolgt.

Ebenso keine Antwort auf die Serienfrage „wie ticken sie“.

HEINZ WIESMANN, Bochum

Teuflisches Lächeln

betr.: „Ich bin nicht gerne alleine“, taz vom 8. 10. 16

Ich bekam die Zeitung zufällig bei Freunden und war angetan von der Lektüre. So nüchtern betrachtet, entdeckte ich ganz neue Seiten dieser Frau, die so noch beängstigender auf mich wirkt.

Dieses teuflische Lächeln, ihr starker Wille, der sie nach oben gebracht hat, der Zug zur Macht, die Entschlossenheit die sie nach oben gebracht hat, das fand ich gruselig. Wo soll das noch hinführen?

ANNEMARIE PÖTSCHKE-WOLF