Peinliche Zuneigung: Hambruger Arroganz
Hambruger Soundtrack
von Nils Schuhmacher
Zum Beispiel die „Hambrug“-Mütze. Die Originale dieses Accessoires wurden vor einigen Jahren als offensichtlicher Fehlstick für kleines Geld in Ein-Euro-Läden verklappt. Sie wärmten fortan ausgewählte Köpfe von Analphabeten, Desinteressierten, Nerds und Trendsettern gleichermaßen.
Die besonders Geschäftstüchtigen der letztgenannten Gruppe haben vor Kurzem einen Relaunch auf den Markt gebracht. Seitdem können alle, die es brauchen, ihren klebrigen Lokalpatriotismus auf zeitgemäße Weise präsentieren, nämlich ironisch-gebrochen.
An dieser Stelle kommt dann auch ganz unerwartet ein gewisser „Uwe Uns“ ins Spiel. Der Mann hat zwar jüngst mit einem Hamburg-Hass-Buch (so murrte die Morgenpost) auf sich aufmerksam gemacht. Für das Autorenfoto musste er jedoch ebenfalls in die „Hanseplatte“ („Musik von hier aus Hamburg“) marschieren, um dort die Neuversion der Mütze zu erwerben – für 19,90 Euro.
Es gibt weitere, vielleicht sogar bessere Beispiele für derartige Ambivalenzen. Ganz vorne dabei die längst vergessene Band Hamburger Arroganz mit ihrem wunderbar yuppiesken „Livin’ in Hamburg“ („The only drug that really turns me on“). Nicht weniger schlecht die Andeutung einer enttäuschten Liebe bei Hermann’s Orgie („Hamburg ich mag dich. Warum bist du so kalt zu mir?“) oder das dann doch eher eindeutige „Hamburg“ von E-605 („Hamburg ist ’ne schöne Stadt, die auch viele Bullen hat“).
Vertreter unironischer und gleichzeitig unpeinlicher Zuneigung sind demgegenüber rar gesät. Im Grunde können hier nur die Berliner Lassie Singers mit ihrer gleichnamigen Hymne („Skianzüge am Hans-Albers-Platz“) genannt werden. Und dann schweift der Blick bereits ins Aus- und Umland. Aus dem westlichen Speckgürtel stammen etwa die Hip-Hopper von Fettes Brot (15.10., Mehr! Theater). Und man kann sich richtig ein bisschen freuen, dass in einem ihrer Songs „viele Wege“ nach Rom, in einem anderen aber nur welche nach Pinneberg führen. Auch eine Mütze wert. Oder besser: Krupunder.
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