Das Volk und die Privilegien

ABSTIMMUNG Zweifel an der Zulässigkeit: Die CDU lässt den Volksentscheid über den Rückkauf der Energienetze vom Landesverfassungsgericht überprüfen

Die letzte Entscheidung über Haushaltsfragen gilt als „Königsrecht“ aller Parlamente

Die Hamburger CDU will den Volksentscheid über die Energienetze auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Eine entsprechende Klageschrift sei dem Hamburger Verfassungsgericht zugleitet worden, teilte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich am Freitag mit. Dem höchsten Gericht der Hansestadt sei die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit bewusst, sagte der Anwalt Marc Rutloff, der die Union in dem Verfahren vertritt. Der Volksentscheid ist für September nächsten Jahres geplant.

Nach seiner Einschätzung ist der Text der Abstimmung „konkretisierungsbedürftig“. Die Folgen und Konsequenzen einer Zustimmung zum Volksentscheid seien „nicht hinreichend bestimmt“, so Rutloff. Es bestehe die Gefahr, dass viele BürgerInnen nicht genau verstünden, worüber sie abstimmten. Außerdem rühre der Volksentscheid am Budgetrecht der Bürgerschaft.

Die letzte Entscheidung über Haushaltsfragen gilt als „Königsrecht“ aller Parlamente. Der Volksentscheid aber könnte zu finanziellen Belastungen des Hamburger Haushalts in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro führen. „Eine derartig gravierende finanzielle Entscheidung am Parlament vorbei würde die Handlungsfähigkeit von Bürgerschaft und Senat massiv beschädigen“, sagt Wersich. Nach der Hamburger Verfassung dürfen Haushaltsfragen nicht Gegenstand eines Volksentscheids sein.

In Bayern hatte aber im Oktober der Verfassungsgerichtshof ein Begehren zur Abschaffung der Studiengebühren für zulässig erklärt: Es richte sich nicht gegen den Landeshaushalt, sondern gegen eine einzelne politische Entscheidung, die auch unvermeidbare finanzielle Auswirkungen habe.

Darauf beruft sich nun die Volksinitiative „Unser Netz“, die das Referendum durchführen will. Gegenstand der Abstimmung seien nicht von der Bürgerschaft beschlossene Haushaltspläne, sagt Manfred Braasch, Vertrauensmann der Initiative und Landeschef der Umweltorganisation BUND. Wer aber das Volk „an wirklich relevanten Entscheidungen beteiligen will, muss in Kauf nehmen, dass diese finanzielle Folgen haben können“, sagt Braasch.

Im Mai hatte die SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft den Rückkauf von 25,1 Prozent der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme von den Konzernen Vattenfall und Eon für 543,5 Millionen Euro beschlossen. Die Forderung der Initiative, die Netze vollständig in städtische Trägerschaft zu übernehmen, sei mit einem Kaufpreis von mehr als zwei Milliarden Euro zu teuer, findet die SPD. CDU und FDP halten auch den teilweisen Kauf für falsch, während Grüne und Linke den Volksentscheid unterstützen.  SVEN-MICHAEL VEIT