Die Kunst, den guten Rhythmus zu finden

Bewegte Körperplastik Das Fach Eurythmie ist von Anfang an ein fester Bestandteil des Waldorf-Lehrplans. Doch auch in anderen Bereichen ist diese Form des Körperausdrucks zu Hause

Die Eurythmie: Für Anthroposophie-Affine und Waldorf-Kenner eine Selbstverständlichkeit, für Außenstehende – man kann es kaum anders nennen – ein Mysterium. So gibt es vermutlich kaum einen (ehemaligen) Waldorfschüler, der diese augenzwinkernde Aufforderung nicht kennt: „Waldorfschüler? Dann kannst du ja mal deinen Namen tanzen.“ Und, sicher, das sollte der oder die Angesprochene aus dem EffEff können.

Immerhin ist der Eurythmie-Unterricht fester Bestandteil eines jeden waldorf-pädagogischen Lehrplans. Er erstreckt sich in verschiedenen Ausprägungen über die vollen zwölf Schuljahre und ist selbstverständlich mitnichten eine pantomimische Buchstabenshow. Schon Erst- bis Drittklässler befassen sich mit Lauten, Formen, Rhythmen und Melodien, die an den Erzählstoff geknüpft sind, der in der jeweiligen Klassenstufe durchgenommen wird. Über grammatikalische Formen, Gebärden, Tonleitern und Stabübungen arbeiten sich die Schüler hin zu Gedichten, Musikstücken und ganzen Dichtungen der Romantik und Moderne – dabei geht es darum, Sprache und Musik über das eigene innere Erleben in Körperbewegungen umzuformen und künstlerisch zu gestalten. Der Körper wird der Idee nach zu einer ausdrucksvollen, bewegten Plastik, welche Sprache und Gesang sichtbar macht. Der „gute Rhythmus“, die „schöne Bewegung“ soll helfen, eine Ausgeglichenheit für das eigene Leben zu finden, sowie individuell schöpferische Fähigkeiten fördern.

Nachvollziehbar, dass sich auf Basis dieser Bewegungskunst auch eine therapeutische Richtung entwickelt hat. Heileurythmie ist eine der alternativen Heilmethoden in der anthroposophischen Medizin und wird in vielen heilpädagogischen Einrichtungen angeboten.

Mag sie dem einen weltfremd, dem anderen angestaubt oder gar überholt vorkommen, so erfreut sich die Eurythmie doch gerade heute einer auffallend großen Beliebtheit. Dafür sprechen nicht nur diverse gut besuchte Ausbildungsschulen und universitäre Lehrgänge, sondern auch Veranstaltungen wie das Internationale Jugend Eurythmie Festival, das im vergangenen Mai mittlerweile zum 13. Mal am Institut für Waldorf-Pädagogik Witten/Annen stattfand und über 500 Schüler, Studenten sowie Ensembles aus verschiedenen Ländern anzog. Oder yep! – Young Eurythmy Performance, ein junges Projekt im zweiten Jahrgang, das sich an 18- bis 25-Jährige richtet, die sich für die Bühneneurythmie interessieren und gleichzeitig die eigene Schöpfungskraft erfahren möchten. Nach mehrmonatiger Choreografie-Arbeit geht es für die jungen Bewegungskünstler auf Tournee.

Auf wissenschaftlicher Ebene widmet sich die Alanus-Hochschule gleich in mehreren Forschungsprojekten der anthroposophischen Bewegungskunst und untersucht ihre Wirkungsweise etwa in der Pädagogik oder sozialen Arbeitsfeldern.

All diese unterschiedlichen Aktivitäten machen deutlich, dass die Eurythmie auch oder gerade heute aktuell ist. Können sie den skeptischen Anthroposophie-Laien vielleicht auch nicht überzeugen, so zeigen sie doch: Eurythmie ist weit mehr als das Tanzen von Namen. al