Subversive Handarbeit

STICHE Im Souterrain eines privaten Wohnhauses im Viertel eröffnet eine neue Galerie. Elke Prieß zeigt, dass Sticken kein Ausdruck bürgerlichen Anstands sein muss

VON ANDREAS SCHNELL

In Bremen scheint es gerade einen Galeriegründungsboom zu geben. Nach unserer Rechnung müsste die Galerie Ritter 17 bereits die vierte in diesem Jahr sein. Allerdings will sich Betreiberin Elke Prieß nicht wirklich in die Phalanx der professionellen Galerien einreihen. Sie hat auch sonst zu tun, als freie Künstlerin, Kursleiterin, Organisatorin. Mit professionellen Künstlern arbeiten, das will sie allerdings schon. Schließlich hat sie sieben Jahre lang für den Kunstverein Cuxhaven ein durchaus anspruchsvolles Programm mit nationalen und internationalen Positionen kuratiert.

Nur in Ehrfurcht erstarren muss niemand in der Eröffnungsausstellung, die am kommenden Mittwoch Vernissage feiert. „Einstiche“ heißt sie, Untertitel: „Sticken zwischen Kunst und Alltag“. Doch, es geht tatsächlich ums Sticken, das gute alte Sticken, Stichworte: Hausarbeit, Frauenarbeit. Und dann stammen auch noch alle Positionen aus weiblicher Produktion. Aber das ist natürlich ein wichtiger Grund, weshalb sich die Bildende Kunst seit den 90er-Jahren zunehmend mit dieser Technik befasst.

„Mittels ihrer Konnotationen problematisiert die Technik Normativitätsdispositive der Kunstgeschichte und der bipolaren Geschlechterordnung“, wie der Klappentext eines einschlägigen Buchs verkündet. Elke Prieß hält es aber dann doch lieber etwas weniger akademisch mit dem Schweizer Kunsthistoriker Jean-Christophe Ammann, der anlässlich einer Ausstellung des Stickkünstlers Jochen Flinzer formulierte: „Wer stickt, spinnt nicht.“

Dass in „Einstiche“ nur Frauen ausstellen, sei, so Elke Prieß, purer Zufall. Sie selbst habe in der letzten Zeit angefangen, sich damit zu beschäftigen, recherchiert, herumgefragt. Und fand nun mal nur Frauen. Programmatisch ist das nicht.

Überhaupt: Eher niedrigschwellig soll ihre Galerie sein, die Kunst darin dürfe gern auch spielerisch daherkommen. So gibt es in „Einstiche“ auch Arbeiten zu sehen, die böse Zungen vielleicht als Kunsthandwerk bezeichnen würden, aber gleichwohl einen durchaus beträchtlichen Charme entwickeln. Sara Kaesmayr zum Beispiel hat handgebundene Hefte bestickt: „Für elementare Gedankenstürme“ oder auch „Konservierte Erlebnisse“. Sabine Hanke ist mit bestickten Küchensieben zu sehen – auf denen unter anderem „Brain“, „Gehirn“, zu lesen ist.

Alexandra Knie andererseits hat mit ihren gestickten Viren immerhin ihren Abschluss an der Kunsthochschule bestritten, Anja Fußbachs kratzbürstiger Zugriff auf Material und Technik ist dem Bremer Publikum vielleicht bekannt. Ein weit gefasstes Spektrum also, das die „Einstiche“ präsentieren.

In Zukunft soll es in der Ritter 17 ein- bis zweimal im Jahr Kunstprojekte geben. „Es ist ein Versuch“, meint Prieß. Fürs Erste ist der durchaus gelungen.

■ „Einstiche – Sticken zwischen Kunst und Alltag“, Vernissage: Mittwoch, 12. 12., 19 Uhr, bis 22. 12., Öffnungszeiten Mittwoch bis Freitag 16–19 Uhr, Samstag 11–16 Uhr, Galerie Ritter 17, Ritterstraße