Hennen, Eier – und kein Hahn

Toter Mann Durch die massenhafte Eierproduktion werden heute Millionen männlicher Küken direkt nach dem Schlupf getötet – auch in Bio-Betrieben. Es geht anders

Gartenbau bildet nicht nur als Schulfach einen festen Bestandteil im waldorf-pädagogischen Lehrplan, sondern derzeit haben auch Berufe etwa rund um die biodynamische Landwirtschaft und ökologische Ernährungswissenschaft dank dem anhaltenden Wachstum der Biobranche Zukunft. Da die Nachfrage nach Demeter- und Bioprodukten weiter steigt, können Jobs in diesem Bereich eine sichere berufliche Grundlage bieten.

Ein möglicher Ausbildungsgang für einen beruflichen Weg in diese Richtung ist die vierjährige „Freie Ausbildung in der Biologisch-dynamischen Landwirtschaft“, die die Lehrlinge theoretisch in mehrtägigen Blockseminaren und praktisch jeweils direkt in Lehrbetrieben mit unterschiedlichen Schwerpunkten absolvieren. Zwar ist die Ausbildung nicht staatlich anerkannt, ein Abschluss als Geselle nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) jedoch möglich. Organisiert wird die Freie Ausbildung in verschiedenen Regionen von den Landesarbeitsgemeinschaften des Demeter-Verbandes.

Arbeits- und Ausbildungsstellen bei Demeter- und Bio-Unternehmen finden Suchende auf der Homepage des Demeter e. V. Ob Mitarbeiter in Hofläden, Käsereien, Gärtnereien oder für den Gemüse- und Ackerbau – die Job- und Ausbildungsangebote sind vielfältig und weltweit.

Die Homepage der Jobbörse finden Interessierte unter www.demeter.de/fachwelt/jobs, Informationen zu Ausbildungen in diesem Bereich unter www.demeter.de/aus-und-fortbildung.

Kontaktadressen zu Ausbildungsbetrieben in der bio-dynamischen Landwirtschaft stehen hier: www.freie-ausbildung.de

von Dierk Jensen

Sie hat eine Vision. Und die ist ziemlich desillusionierend. Zumindest für den Verbraucher, denn ein Ei von Hennen aus wahrhaft ökologischer Geflügelzucht wird rund 60 Cent kosten müssen. Das meint Inga Günther, Geschäftsführerin des im letzten Jahr gemeinsam von den beiden ökologischen Anbauverbänden Demeter und Bioland gegründeten Ökologischen Tierzucht gGmbH, die sich um den Aufbau einer in diesem Bereich bisher gänzlich fehlenden Zucht kümmert. Diese Zuchtbestrebungen geschehen zum einen auf dem Demeterhof Rengoldshausen in der Nähe vom Bodensee, wo mit rund 50 Mitarbeitern auf 190 Hektar Fläche seit vielen Jahrzehnten vielfältige biologisch-dynamische Landwirtschaft betrieben wird. Seit 2013 wird dort in Kooperation mit dem Demeter-Partnerbetrieb Tannhof in Münchhöf auch eine kleine Schar von Hühnern gehalten, bei der die tiergerechte Aufzucht von Legehennen und Hähnen für die Produktion von hochwertigen Eiern und Fleisch praktiziert wird. Unter dem märchenhaft-emanzipatorischen Namen Hänsel (Hahn) & Gretel (Huhn) wird neben den Eiern auch das Geflügelfleisch vermarktet. Dabei ist das Fleisch der „geretteten“ Hänselhähne aktuell ungefähr doppelt so teuer wie das der Gretelhenne. Wahre Emanzipation hat eben wohl ihren Preis.

Im größeren Stil wird auf einem Bioland-Betrieb im nordrhein-westfälischen Kleve der zeitaufwändige Aufbau neuer Zuchtlinien für Zweinutzungshühner angepackt. „Tiere, die wir eigentlich brauchen, haben wir noch nicht“, identifiziert Günther ein großes Manko. So greifen die Eier- und Geflügelfleischerzeuger in den Reihen des ökologischen Landbaus bisher auf Tiere zurück, die mehr oder weniger aus herkömmlicher, extrem leistungsorientierter Züchtung kommen. „Das heißt ja nicht, dass die Eier oder das Fleisch weniger gut seien, aber diese Tiere entsprechen nicht den Vorstellungen einer Züchtung, welche speziell auf Tiere für Öko-Betriebe fokussiert ist und sowohl Aspekte wie Tierwohl, Ressourcenschutz und ökologische Fütterung berücksichtigt“, so Günther.

Eine Züchtung, bei der im Übrigen Huhn und Hahn gleichsam „verwertet“ werden können. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist in der modernen Geflügelwirtschaft jedoch längst passé: Männliche Tiere, die Hähne, werden in der konventionellen Eierproduktion zumeist direkt nach dem Schlüpfen getötet, sprichwörtlich vergast, früher sogar geschreddert.

Ein Zustand, den Lena Rottstegge unerträglich findet. Sie ist Mitarbeiterin der Berliner Terra Naturkost Handels KG, die mit ihrem Projekt „ei care“ einen anderen Weg eingeschlagen hat: Die an ei care beteiligten, im Anbauverband Naturland organisierten Erzeuger töten nicht – wie sonst üblich – die männlichen Nachkommen, sondern mästen sie. Dabei setzen die ostdeutschen Betriebe die von Feinschmeckern geschätzte Rasse Les Bleues ein. Es ist ein aus Frankreich stammendes sogenanntes Zweinutzungshuhn, das sowohl zur Ei- als auch zur Fleischproduktion taugt.

Einer der acht am ei care Programm beteiligten Betriebe ist das Gut Thurbruch auf der Ostseeinsel Usedom. „Wenn der Markt das hergibt, dann wollen wir unseren Hühnerbestand noch ausweiten“, sagt Dirk Schramm vom Mischbetrieb, der neben Geflügel auch Mutterkühe und Schweine hält sowie Ackerbau betreibt. Wenngleich der populäre Fernsehkoch Tim Mälzer bei einem Besuch auf Gut Thurbruch am liebsten gleich alle Hähnchen unterm Arm mitgenommen hätte, ist doch die Vermarktung des ungefähr doppelt so teuren Fleischs ein mühsames Unterfangen. „Der Absatz der Eier ist überhaupt kein Problem, der des Fleischs kann gern noch steigen“, weiß Rottstegge aus den Erfahrungen der letzten Jahre zu berichten.

Doch trotz der schwierigen Anfangsphase sehen sich die Initiatoren und Erzeuger von ei care im Aufwärtstrend. Sie setzen auf den aufgeklärten Verbraucher und hoffen mit ihrer ökologisch-ethischen und bäuerlich strukturierten Geflügelzucht langfristig aus der Nische herauszuwachsen. Ähnlich ausgerichtet ist die „Bruderhahn Initiative Deutschland“, deren zentrale Absicht es ist, „die Tierhaltung dem Tier und nicht dem Markt anzupassen“.

Noch werden aber jährlich 40 Millionen männliche Küken in Deutschland unmittelbar nach dem Schlupf getötet. In einer hochtechnisierten und hochspezialisierten Eierproduktion gibt es für die Männchen einfach keinen Bedarf, kein Erbarmen. Ein Umstand, den selbst der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) als ein „weltweites Problem“ betrachtet. Zwar befürwortet der ZDG den Einsatz von Zweinutzungshühnern, sieht aber den Ausweg aus dem Dilemma eher in der Erforschung einer frühzeitigen Geschlechtsbestimmung im Ei. Sie soll zukünftig ermöglichen, dass die männlichen Küken vor dem Schlupf im Ei getötet werden. Nun gut, aber das ist sicherlich nicht die Richtung, die Inga Günther von der Ökologischen Tierzucht gGmbH verfolgt: Sie will Huhn und Ei und Hahn eben mit ausgewogenem Leistungsvermögen – dabei sind Eierpreise von 25 Cent allerdings vollkommen unrealistisch.