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Büffelwahn

Seit 2005 steht eine Herde Wasserbüffel auf der Schwäbischen Alb – einer der wasserärmsten Gegenden Deutschlands. Fleisch, Wurst und Käse der bio-zertifizierten Büffel verkaufen sich prächtig. Geld floss dafür vom Land Baden-Württemberg und auch vom Bund. Aber werden die Tiere auch artgerecht gehalten? Diese Frage stellen sich die Zuständigen offenbar nicht

von Gudrun Mangold (Text) und Joachim E. Röttgers (Fotos)

Wasserbüffel – ihre Bezeichnung könnte präziser nicht sein. Jedem Kind ist bei einem solchen Namen klar, dass diese Tiere die Nähe des Wassers brauchen, um sich wohlzufühlen.

Wasserbüffel also. Auf der Alb. Die Schwäbische Alb ist eines der wasserärmsten Gebiete Deutschlands, ein verkarstetes Gebirge. Wer kam wie also überhaupt auf eine solche Idee? Die Antwort findet sich ebenfalls kinderleicht – sie schnellt einem auf der Internetseite der Erzeugergemeinschaft www.albbueffel.de entgegen, verantwortlich zeichnen der Büffelhalter Willi Wolf, Büffelhalter und Käser Helmut Rauscher, beide aus Hohenstein, und Metzger Ludwig Failenschmid aus St. Johann-Gächingen: „Das schwäbische Urviech“, tönt es da humorig, um im Abschnitt „Geschichte“ ernsthaft zu belehren: „Die Spur der Albbüffel führt nach Steinheim an der Murr. Dort wurden 300.000 Jahre alte Überreste von Wasserbüffeln gefunden“. Von „schwäbischen Wurzeln“ und „Rückkehr“ ist weiter die Rede.

So eine Art Heimatvertriebene? Das muss als Begründung herhalten, dass man die schweren Tiere, trächtig auch noch, von Rumänien 2005 mit einem Viehtransporter auf die Alb gekarrt hat?!

Vor 30.000 bis 40.000 Jahren gab es auf der Alb außerdem Löwen, Nashörner und Mammute. Archäologische Ausgrabungen aus der Vogelherdhöhle im Lonetal, dem Geißenklösterle bei Blaubeuren und dem Hohlefels bei Schelklingen weisen dies eindrucksvoll nach. Deswegen versucht heute aber trotzdem niemand, Löwen, Nashörner und, mangels Mammut, vielleicht Elefanten über die Alb rennen zu lassen.

Die Wasserbüffel allerdings hatten keine Wahl, mit derartig hanebüchenen Argumenten zwangsweise auf die steinige Alb umgesiedelt zu werden, denn auch sie, davon darf man ausgehen, standen nicht am rumänischen Straßenrand mit ausgestrecktem Anhalterhuf. Cui bono? fragt eine alte römische Weisheit, wer hat einen Nutzen davon? „Denen geht es gut!“, versichert Simon Tress von der Bio-Gaststätte Rose in Ehestetten, wo der sympathische Koch seinen auch von weitem mit dem Auto anreisenden bio-hungrigen Gästen das Büffelfleisch kredenzt. Wahr ist: Das Geschäft mit den Büffeln geht offenbar bestens. Simon Tress ist nicht der Einzige, der davon profitiert. Helmut Rauscher, der ebenfalls ganz auf Bio setzt, hat nun auch „Albzarella“ in seinem Käse-Angebot, und Ludwig Failenschmid kreiert „Bio-Albbüffel“-Wurst-Delikatessen. Klickt man auf seiner Internet-Seite „Albbüffel“ an, erfährt man, dass „Züchter Willi Wolf und Herr Failenschmid (er lässt sich auf seiner Seite so nennen) „den Wasserbüffel in Deutschland kurzerhand unter dem liebevollen Namen Albbüffel wieder salonfähig gemacht“ haben. Kurzerhand? Liebevoll? Salonfähig? Wieder?

So steht es da. Aber kann es kurzerhand umbenannten und salonfähig gemachten Büffeln eigentlich gutgehen? Und woher will Tress das wissen? Hat überhaupt jemand mal danach gefragt? Jemand, der von Berufs wegen für eine Überprüfung zuständig wäre oder gar von Amts wegen zur Förderung der Büffelhaltung auf der Alb beigetragen hat?

Der Tierpark Schönbrunn, wo Wasserbüffel gehalten werden, beschreibt die Tiere so: „Wasserbüffel sind ausgezeichnete Schwimmer, die sich oft stundenlang im Wasser stehend aufhalten. Sie leben in Herden bevorzugt in sumpfigen Flussniederungen oder an schlammigen Seen und Meeresufern … Ihre Nahrung besteht aus Kräutern, Sumpf- und Wasserpflanzen.“

Am 2. August 2012 geht eine Reihe von Fragen an das baden-württembergische Ministerium für Ländlichen Raum (MlR), insbesondere: „Wurde geprüft, ob artgerechte Haltung dieser Tiere auf der Alb überhaupt möglich ist? Wenn ja, von wem?“ Pressesprecher Markus Jox reagiert nicht. Auf telefonische Nachfrage am 8. August verweist er dann freundlich auf die Tierschutzbeauftragte des Landes, Dr. Cornelie Jäger, die den kleinen Fragenkatalog auch umgehend vorgelegt bekommt. Ein Anruf aus ihrem Stab geht ein: „Wenn Sie Fragen haben, können Sie gerne bei uns anrufen.“ Aber die Fragen sind doch bereits präzise vorgelegt! Darauf wird verwiesen. Jäger antwortet am 13. August: „Ich hatte angenommen, dass Sie etwas zu den ggf. auftretenden Tierschutzproblemen bei Büffelhaltungen wissen wollten, weshalb meine Mitarbeiterin bei Ihnen aufs Band gesprochen hat. Im Übrigen kann ich noch darauf hinweisen, dass die Büffelhaltung in Deutschland nicht nur auf die Schwäbische Alb beschränkt ist.“

Die zuständigen Stellen wissen nichts über Büffelhaltung

Jäger hat es richtig verstanden, darum geht's, um gegebenenfalls auftretende Tierschutzprobleme – allerdings hätten Fragestellende, insbesondere solche von der Presse, doch lieber Antworten als die Wiederholung ihrer Fragen. Und: Gefragt wurde ausdrücklich nach der Alb, einem Gebiet, für das Jäger zuständig ist, und nicht nach einem Gebiet, für das sie nicht zuständig ist. Neue Nachfrage. Am 16. August führt Jäger konkret ins Feld: „ … dass man für die Betäubung bei der Schlachtung von Wasserbüffeln, die letztlich auch zur Haltung gehört, besonders leistungsfähige und dafür ausgelegte Bolzenschussapparate (langer Bolzen, große Durchschlagskraft) benötigt, um eine ausreichende und sichere Betäubung zu erzielen. Es gibt diese Geräte mit den entsprechenden Treibsätzen, und man sollte darauf achten, dass der Schlachtbetrieb damit ausgestattet ist. Es ist die besondere Ausprägung der Stirnplatte bei den Büffeln, die dies insbesondere bei adulten Tieren erforderlich macht.“

Wer sollte darauf achten? In einer weiteren Mail vom 16. August wird Jäger noch einmal gefragt: „Wie beurteilen Sie aus Tierschutzsicht konkret die Haltung der Wasserbüffel auf der Alb ist sie artgerecht?“ Die Antwort erfolgt noch gleichentags die Tierschutzbeauftragte schreibt: „Da ich keine der Haltungen besichtigt habe, kann ich diese Frage nicht beantworten.“

Am 24. August gehen nach ein paar leeren Versprechungen auch Antworten der Pressestelle des MlR ein, nun von der Leiterin Dr. Denise Burgert. Zu erfahren ist, dass „die Albbüffelansiedlung“ durch das Naturschutzförderprogramm Plenum, die Agrarinvestitionsförderung des Landes und das Bundesförderprogramm Regionen Aktiv gefördert wurde: 2005 eine Vermarktungskonzeption, Informationsmaterialien, ein Zaun und Stallumbaumaßnahmen, 2006 eine Mozzarella-Maschine. Auskünfte zu Förderbeträgen könne man „aus Datenschutzgründen“ nicht geben. Auch Burgert war nochmals gefragt worden: „Wurde geprüft, ob artgerechte Haltung dieser Tiere auf der Alb überhaupt möglich ist? Wenn ja, von wem?“ Ihre Antwort: „Alle Plenum-Förderanträge zur Landwirtschaft werden durch die Landwirtschaftsverwaltung hinsichtlich Einhaltung gesetzlicher Normen und Wirtschaftlichkeit geprüft.“

Wenn alles korrekt geprüft wurde, hätte dann die Tierschutzbeauftragte nicht leichten Zugang innerhalb ihres Hauses zu den Prüfungsunterlagen haben müssen? Wieso gibt sie keine Stellungnahme ab und begründet dies damit, dass sie die Haltungen nicht besichtigt habe? Traut sie ihren Leuten nicht, oder liegt nichts vor?

„Bio“ als Schlüssel für den Büffel-Western

Zu weiteren Fragen, zum Beispiel wann es denn nun Wasserbüffel auf der Alb gegeben habe, empfiehlt Burgert, die Büffelhalter zu fragen, „die das wahrscheinlich wissen“. Und sie hat auch noch einen hilfreichen Link parat: www.albbueffel.de, „mit dem evtl. Weiteres beantwortet werden kann“. Darf man nach all diesen dürftigen Reaktionen Rückschlüsse auf den Informationsstand im Ministerium ziehen? Das ist zu befürchten.

Das Durchklicken der Büffelhalter-Seiten, wofür niemand eine hochbezahlte Pressestelle braucht, ist aufschlussreich. Ein hier eingestellter, als „pompös“ angekündigter Film macht klar, um was es geht: Bonanza! Protagonist Willi Wolf, der sich als Cowboy inszeniert, ist auf seiner Seite auch in einem Radio-Interview zu hören. Bezüglich des Namens „Wasserbüffel“ sagt er: „Der hot amol Wasserbüffel ghoißa, der hoißt jetzt Albbüffel“, die Begründung bringt er nur noch lachend raus: „Weil der do hoba koi Wasser hot!“ (Der hat einmal Wasserbüffel geheißen, der heißt jetzt Albbüffel, weil der hier oben kein Wasser hat!)

So einfach ist das. Kurzerhand. Liebevoll. Saloon-fähig. Und trotzdem wurde die Ansiedlung der wasserliebenden Tiere auf der Alb mit Umwelt- und Naturschutz- Geldern gefördert und dient laut Büffelhaltern, und die soll man ja fragen, als „eine der bekanntesten Qualitätsmarken des Biosphärengebiets Schwäbische Alb“. Überhaupt scheint das Wörtchen „bio“ der Schlüssel für den ganzen Büffel-Western zu sein. Unter dem Label „bio“ lassen sich Fleisch, Wurst und Käse einfach hervorragend vermarkten. Angeblich kann die Nachfrage bei Weitem nicht gedeckt werden. Pecunia non olet, ebenfalls römisch, heißt: Geld stinkt nicht. Bio-Geld schon gar nicht.

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