Wochenschnack
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Üble Stimmung

Was für eine Woche Nazis bedrängen Politprominenz. Sahra Wagen­knecht sucht die Nähe zu Frauke Petry. Oskar Lafontaine tobt wider die taz. O je

Alte Männer gegen Merkel. Pegida am Tag der „Deutschen Einheit“ Foto: dpa

Stinkefinger

betr.: „Tag des deutschen Pöbels“, taz vom 4. 10. 16

Nein – es war kein „Tag des deutschen Pöbels“ oder – wie die hiesige Landeszeitung getitelt hat – ein „gespaltener Feiertag“! Sie werden sich eins in Fäustchen lachen, diese Fremdenhasser und Außenseiter der Gesellschaft, und sich brüsten mit der Aufmerksamkeit – sogar mit dem Stinkefinger auf der Titelseite! –, die ihnen für ihre menschenverachtenden Parolen zuteil wird: welch wichtiger Faktor sie sind in unserem Staat. Sind sie es wirklich? Gönnen wir (und die Medien) ihnen das?

Jörg Ehlert, Lüneburg

Bosheit

betr.: „Tag des deutschen Pöbels“, taz vom 4. 10. 16

Die alten/neuen pöbelnden Horden missbrauchen verbal Wilhelm Busch mit dessen „Muselmann-Begriff“ immer häufiger. Angesichts der Nazi-Singer, nach Mauer und Islamverbot Schreienden, sich selbst „Bürgerwehren“ Nennenden hätte Busch wie damals vermutlich gereimt: „Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein.“

Gerd Jüttner, Stuttgart

Knechtisch

betr.: „Ein Schmarrn-Redner“, „Junge Union blamiert sich mit Rücktrittsforderung“, taz vom 22. 9. 16

Wenn man verstehen will, was den CSU-Chef und seinen Lautsprecher, den Generalsekretär Scheuer, antreibt, Stimmung zu erzeugen, denkt man vielleicht, die sind wohl total bescheuert, denn sie bekämpfen das Wenige, was bei uns in Deutschland mindestens ideell eine Zeit funktioniert hat, das menschlich Richtige in der Flüchtlingsproblematik zu entscheiden; das war Merkel, wenn auch alle Grundlagen, die Aufnahme der Flüchtlinge sinnvoll zu gestalten, zunächst dafür fehlten. Aber ohne Rücksicht darauf, dass die sogenannte ChristSozialUnion aus der deutschen Südostecke ständig, und besonders seit fast zwei Jahren den AfD-Teppich entwirft, webt und ausrollt, versuchen die Parteigranden dieser Regionalpartei, die einzige noch einigermaßen funktionierende Führungsspitze der größeren Schwesterpartei abzukanzeln, abzukanzlern. Und der schnell schießende Junge-Union-Vorsitzende Zimiak unterstützt folglich mit seiner fehladressierten Rücktrittsforderung an die Umweltministerin Barbara Hendricks tatsächlich den Kampf gegen Merkels Kanzleramtsminister Altmaier, der als jetzig Verantwortlicher für die Flüchtlingspolitik diese von der JU kritisierte bürgerorientierte, gesellschaftspolitische Förderung vertreten hatte, die gerade unter Frau Hendricks jetzt ankommt. Knechtisch handeln sie, diese CSU- und Junge-Union-Bosse. Danke, Malte Kreutzfeldt, für die Klärung! ERNST-FRIEDRICH HARMSEN, Berlin

„Idioten“

betr.: „Ab ins präpostpostfaktische Zeitalter“, taz vom 21. 9. 16

Laut Herrn Arzt sind die Leute, die rechts wählen, ja allesamt „Idioten“. Das ist eine profunde, nicht ganz unwahre Feststellung. Leider ist sie auch ziemlich kurzsichtig und dient vielen Deutschen als Begründung dafür, dass ihr Lebensstil ja absolut nichts mit dem Aufstieg der AfD zu tun hat. Auch ist die Feststellung nicht neu und eignet sich damals wie heute perfekt zur Abgrenzung von „denen da“.

Natürlich ist das ein lange bekanntes gesellschaftliches Problem, bei dem auf wundersame Weise „Idioten“ auftreten, die selbst an ihrer Idiotie schuld sind. Sind sie das? Nein, sind sie nicht. Hingegen ist die gesellschaftliche Ignoranz eine zentrale Ursache. Menschen und insbesondere ihre politische Einstellung sind immer auch ein Produkt ihrer Umgebung.

Wieso sind diese Menschen eigentlich Idioten? Meine These: Fehlende, alle Schichten abdeckende politische Bildung und ein Mangel an Medienkompetenz. Die Resistenz gegen Fakten rührt genau daher und ist nicht erst seit den letzten paar Jahren plötzlich da, sondern war auch vor 50 Jahren ein Phänomen. Und Menschen wie Donald Trump holen diese Klientel einfach nur ab.

Gesellschaftliche Ignoranz für diese Defizite begründet im Übrigen die Überraschung darüber, dass nicht wenige Menschen die AfD wählen. Die müssen ja totale Idioten sein, oder? Wir sollten lieber darüber diskutieren, wie wir Rechtsextremismus und ähnlichen Phänomenen durch Mittel wie politische Bildung und Medienkompetenz den Nährboden entziehen können. Denn fremdenfeindlich ist jeder mehr oder weniger, doch in jedem Fall kann man die Ablehnung des Fremden im demokratischen Rahmen ausleben. Gleichzeitig ist man dann in der Lage, als Linker hinzunehmen, dass das Asylrecht von der Regierung verschärft wird, und schöpft alle demokratischen Mittel aus, um dies zu verhindern und umzukehren. Andersrum gilt das natürlich genauso.

Eine Gesellschaft kann von Menschen keine Mündigkeit verlangen, wenn sie sie nicht selbst dazu befähigt, genauso wie man von einem Kleinkind nicht erwarten kann, dass es plötzlich schwimmt, wenn man es ins kalte Wasser wirft. Doch das kann die Gesellschaft natürlich nur, wenn sie tatsächlich etwas ändern möchte und nicht nur wieder eine weitere Möglichkeit sucht, sich über die bösen „Anderen“ zu echauf­fieren. Tim Schubert,Oelde

Rassismusproblem

betr.: „Tag des deutschen Pöbels“, taz vom 4. 10. 16

Unfassbar! Wie sehr muss man sich schämen, in oder am Rande Dresdens zu leben! Was ist hier nur los? Und wann werden Sachsen und vor allem sächsische Politiker es offen verbalisieren: Sachsen hat ein Rassismusproblem! Ein Rassismus-und Extremismusproblem! Kennen diese Leute gar keine Scham, keinen Respekt? Einen Mitbürger welcher Hautfarbe auch immer beim Kirchgang mit entwürdigenden Parolen zu überschütten! Den Anlass der Einheitsfeier zu vermischen mit abstrusen „Ihr wollt Deutschland zerstören“-Parolen! Und grad noch Putin nach Berlin zu zitieren, dessen Syrienengagement die meisten Flüchtlinge ihr Schicksal zu verdanken haben! Ihr bringt einen sehr Demokratieverliebten noch dazu, nach Redeverbot für all diese dumpfbackigen Wendeverlierer zu rufen und in Bezug auf alle Deutschnationalen Schreihälse zu verlangen: „Abschieben!“ Jan Michael Horstmann,Radebeul

Entzaubern

betr.: „Lechts und Rinks kann man nicht verwechseln“, taz vom 6. 10. 16

Die Kritik an Oskar Lafontaine hat leider ihre Berechtigung. Zum einen erscheint ein Begriff wie „neoliberale Kampfpresse“ nicht nur wegen der derben Wortwahl wenig hilfreich, da man hiermit ebenfalls das viel gravierendere journalistische Problem verdeckt, dass immer mehr große Zeitungen ihren Politikteil aus einer sogenannten Mantelredaktion beziehen, ohne selbst noch zu recherchieren. Zum anderen liegt der richtige Umgang mit der AfD weniger in einem „Andocken“ an deren Positionen als vielmehr darin, das antiliberale Gedankengut mit seinen viel zu einfachen Antworten inhaltlich zu entzaubern. Schließlich sagt es bereits der gesunde Menschenverstand, dass man mit einer fremdenskeptischen Philosophie gerade in den ländlichen ostdeutschen Regionen Investoren verschreckt und damit jene ihrer Zukunft beraubt. Deshalb sollte und muss man eher Klartext darüber reden, welche Politik den Menschen wirklich eine Perspektive gibt!

Rasmus Ph. Helt, Hamburg