Botschaft aus menschlichen Eingeweiden

KINGS OF COOL Don Winslows aktueller Kriminalroman

„Ob DEA oder Sánchez-Familie – diese Männer kennen sich alle“

DON WINSLOW

Auch in „Kings of Cool“ folgt Winslow seiner bekannten und sehr erfolgreichen Methode. Um den US-amerikanischen Drogenkrieg in Südkalifornien an der Grenze zu Mexiko zu sezieren, entwirft er drei Protagonisten, mit denen man sich identifizieren – die man zumindest sympathisch finden kann: Ben, Chon und Ophelia, genannt O.

Der Krimi ist so etwas wie die Ouvertüre für „Zeit des Zorns“, den Roman, der vor „Kings Of Cool“ erschienen ist und mit dem der Autor weltweit reüssierte. Er behandelt die Vorgeschichte, die Periode, in der Ben, Chon und O ins Marihuana-Geschäft einsteigen und dabei mit Elternhäusern, Polizei und Kartellen in Konflikte geraten.

Winslow beschreibt dies schnell, sarkastisch, szenisch. Mitunter baut er in die spannende Handlung und die Welt, die die Jungunternehmer auf drastische Art und Weise kennen lernen, kleine Betrachtungen ein wie diese: „Es geht nämlich sehr persönlich zu in diesem endlosen, auf kurze Distanz ausgefochtenen Krieg. Diese Männer kennen sich alle. Nicht direkt kennen, aber kennen. Die Sánchez-Familie spioniert die DEA, die Drogenbehörde, mindestens so gründlich aus wie die DEA sie. Sie wissen, wo die jeweils anderen wohnen, wo sie essen, wen sie treffen, mit wem sie vögeln, wie sie arbeiten. Sie kennen ihre Familien, ihre Freunde, ihre Feinde, ihre Vorlieben, ihre Schrullen, ihre Träume, ihre Ängste. Eine Botschaft aus menschlichen Eingeweiden zu schreiben, ist daher beinahe so was wie ein grausamer Scherz zwischen Rivalen, aber auch die Manifestation eines Machtverhältnisses, nach dem Motto, seht mal, was wir uns unserem Revier erlauben dürfen und ihr in eurem nicht.“

Rivalen sind Mafia und Behörden nach Winslow auch insofern (und grenzüberschreitend!), da ihr Personal fließend die Seiten wechselt. Und da dies von allen Beteiligten angenommen wird, hat die illegalisierte Drogenökonomie in „Kings Of Cool“ seit den 1960ern einen kaum durchschaubaren Parastaat geschaffen. Korrupte Beamte, paranoide Händler, Geheimbünde, die für Neue wie O, Chon und Ben Chance und Gefahr gleichzeitig sind. Ein Verwirrspiel mit überraschenden familiären Schleifen.

Winslow entwirft für das Territorium der USA ein Gesellschaftsdrama, welches gerade europäische Leser wohl eher mit Kolumbien oder eben Mexiko verbinden. Aber, es sind die USA.

ANDREAS FANIZADEH

Don Winslow: „Kings Of Cool“. Deutsch von Conny Lösch, Suhrkamp Verlag, Berlin 2012, 350 Seiten, 19,95 Euro