„Sicherheit der Kinder aufs Spiel gesetzt“

Die Mutter des sechsjährigen Missbrauchsopfers erhebt schwere Vorwürfe gegen die Geschäftsführung des Stadtkulturzentrums Pfefferwerk. Falsche Tatsachen über die Kinderferienfahrt seien vorgegaukelt worden

taz: Frau X., Ihr Sohn wurde im Mai auf einer Kinderreise sexuell missbraucht. Wie geht es Jakob (*) heute?

Frau X.: Besser. Die ersten Monate waren furchtbar. Jakob hatte Durchfall. Der eine der beiden Täter ist teilweise in ihn eingedrungen. Jakob hatte lange Zeit ständig die Hand in der Hose, so als wolle er seinen Penis schützen. Und er hat mehrmals am Tag davon gesprochen. Jetzt redet er weniger davon.

Eine Woche nach der Fahrt hat Ihnen Jakob zum ersten Mal von dem Vorfall erzählt. Glaubt man so etwas als Mutter sofort?

Nein. Es fiel mir schwer zu akzeptieren, dass meinem Kind etwas so Schreckliches passiert war. Jakob tat so, als ob er masturbiere. Das hatte er vorher noch nie gemacht. Ich habe ihn gefragt, was er mache. Da hat er gesagt, dass mussten wir bei Max (*) machen. Da bin ich stutzig geworden. Innerhalb von zwei Tagen hat er dann alles erzählt.

Wie haben Sie reagiert?

Ich war völlig fertig mit den Nerven, aber das wollte ich Jakob nicht so zeigen. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich war absolut überfordert. Dann habe ich bei diesen ganzen Hilfsstellen angerufen.

Konnten die helfen?

Nein. Mir wurde geraten, nett zu meinem Kind zu sein und ihm zu sagen, dass es nichts dafür kann. Das wusste ich selber schon. Es war ganz schwierig. Hinzu kam, dass der Veranstalter mir weder bei der Verarbeitung noch bei der Aufklärung des Missbrauchs geholfen hat. Er hat sich mit mit meinen zahlreichen Fragen nicht auseinander gesetzt. Auch nicht, nachdem ich ihn schriftlich darum gebeten habe. Ich musste fast alles in Detektivarbeit herausfinden. Bis heute weiß ich zum Bespiel nicht, wo der Betreuer während der Tatzeit war, oder welche Rolle die Geschäftsführung des Pfefferwerks bei der Ferienfahrt gespielt hat.

Was ist Ihr Hauptvorwurf gegen die Geschäftsführung?

Dass die Sicherheit der Kinder im Sinne von finanziellen Interessen mutwillig und fahrlässig aufs Spiel gesetzt wurde. Mein Sohn hat dafür einen sehr hohen Preis gezahlt. Ich hatte eine viertägige Reise mit zwei ausgebildeten Betreuern gebucht. Mitgefahren ist ein einziger nicht ausgebildeter 1-Euro-Jobber. Auf Nachfrage wurden mir falsche Betreuungsverhältnisse vorgegaukelt. Sogar, als der 1-Euro-Jobber vom Ferienort aus in Berlin Verstärkung angefordert hat, ist nichts passiert. So ein Verhalten lässt vermuten, dass bei anderen Fahrten auch kein zweiter Betreuer mitgeschickt wurde.

Hätten Sie Jakob auch mit Kindern, die älter als zwölf Jahre sind, mitfahren lassen?

Niemals. Ich hatte mich vorher extra erkundigt. Kein Teilnehmer sei älter als zwölf, hieß es. Mir wurde auch versichert, dass die Sechsjährigen nicht mit den Zwölfjährigen in einem Zimmer wohnen. Tatsächlich war es anders. Die Reise wurde über Internet auch an Ältere verkauft.

Nach der Tat sind Sie selbst in die besagte Ferienanlage gefahren. Wie sah es dort aus?

Die Anlage befindet sich auf einer Lichtung im Wald. Der Betreuerbungalow war etwa 100 Meter von den Kinder-Bungalows entfernt, also außerhalb von Sicht- und Hörweite. Alles war ziemlich dreckig. Die Toiletten würde ich sogar als gesundheitlich bedenklich bezeichnen. Sie waren eingeschmiert mit Fäkalien. Jakob hat erzählt, Pfingsten hätten die gleichen hygienischen Verhältnisse geherrscht. Bis zum Ende der Sommerferien führte das Pfefferwerk dorthin weitere Reisen durch.

Was würden Sie Eltern raten, die ihr Kind verschicken wollen?

Das ist schwierig. Ich hatte vorher ja alles hinterfragt. Es gibt nichts, was mir nicht versichert worden ist.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE

(*) Namen geändert