1-euro-jobber
: Schluss mit der Abzocke

Im Fall der Vergewaltigung des sechsjährigen Jakob auf einer Ferienfahrt finden sich viele Schuldige: Auch wenn der Betreuer nur einen Euro pro Stunde zusätzlich zum Arbeitslosengeld II (Alg II) für seinen Job bekam – er hat seine Aufsichtspflicht verletzt. Dass es auf der Fahrt sonst keinen erfahrenen Pädagogen gab, dem am Verhalten des Jungen aufgefallen wäre, dass etwas Schlimmes passiert ist, geht auf die Kappe des Reiseveranstalters „Wilder Pfeffer“. Der skandalöse Vorfall rückt jedoch eine Praxis grundsätzlicher Natur ins Kreuzfeuer der Kritik: die der 1-Euro-Jobber.

KOMMENTAR VON FELIX LEE

Nach offizieller Vereinbarung dürfen Alg-II-Bezieher nur dann eingesetzt werden, wenn sie „gemeinnützige“ und „zusätzliche“ Arbeit leisten. Allein mit dieser Definition wurden dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Beide Begriffe sind so schwammig und leicht zu umgehen, dass es inzwischen nicht einmal die interpretierfreudigen Behörden hinbekommen, dem Missbrauch einen Riegel vorzuschieben.

Die Handwerkskammer befürchtet bei Renovierungsarbeiten von Schulgebäuden durch 1-Euro-Jobber „erhebliche bauliche Mängel“. Seit Wochen fällen Alg-II-Bezieher im Spreepark Bäume, ohne die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen zu beachten. Und vergangene Woche sollten in Friedrichshain-Kreuzberg 20 arbeitslose Lehrer in Kitas eingesetzt werden – rechtswidrig, wie sich herausstellte.

Die 1-Euro-Regelung ist längst zur Farce geworden. Weil sie nachweislich Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt vernichtet. Und weil sie zu einem lebensgefährlichen Experimentierfeld für unqualifizierte Arbeitslose geworden ist.

Der Fall des sechsjährigen Jungen zeigt: Nichts ersetzt eine qualifizierte Fachkraft. Und die kostet berechtigterweise mehr als ein 1-Euro-Jobber.

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