Stadtporträt aus Videoschnipseln

MUSIK-VISITENKARTE Mit seinen Youtube-Stadtporträts hat Kutiman weltweit für Aufsehen gesorgt, nun hat auch Hamburg eins bekommen. Heute stellt der israelische Künstler „Thru Hamburg“ im Abaton-Kino vor

Surft genauso gern im Internet wie am Strand von Tel Aviv: Ophir Kutiel alias Kutiman Foto: Ariel Tagar

von Knut Henkel

Ein großer Spaß war die Zusammenarbeit mit dem israelischen Musiker und Videokünstler Kutiman für Lebo. „Es ist ungewöhnlich, etwas einzusingen und erst Wochen später zu hören, in welchen Kontext es gestellt wird“, erzählt die Hamburger Soulsängerin. Spannend fand sie vor allem die Arbeitsweise von Ophir Kutiel alias Kutiman, der so ganz anders arbeitet als andere Musiker und Videokünstler. Film- und Musiksequenzen spielt der Soundarchitekt ein, zerlegt sie und setzt sie wieder vollkommen wieder zusammen. So hat er es auch bei „Thru Hamburg“ gemacht. Am Dienstag stellt er den Clip gemeinsam mit seiner Musikdoku „Thru You Princess“ über die Sängerin Princess Shaw im Abaton-Kino vor.

Eine Woche ist Kutiman durch Hamburg gepilgert, hat sich mit einer ganzen Schar von Musikern getroffen, hier ein paar Akkorde eingespielt, da eine Melodie und dazu Park Fiction, die Elbphilharmonie oder die Containerbrücken in Altenwerder abgefilmt. Mit offenen Augen ist der 34-Jährige durch die Stadt gepilgert, hat sich von Lebo Masemola ihr Hamburg zeigen lassen und mit einer ganzen Reihe von Musikern gejammt.

Taco van Hettinga, Keyboarder bei Fettes Brot, war genauso dabei wie Manuel Gera, Kirchenmusikdirektor in der St.-Michaelis-Kirche oder der Ukulele-Virtuose Hervé Jeanne. Die Kriterien, nach denen Kutiman auswählt, sind fließend, aber er hat Sinn für Ungewöhnliches und mag Musik aus allen Genres. „Es gibt nur gute oder schlechte Musik und ich bin mit einem Haufen schlechter aufgewachsen“, sagt Kutiel schmunzelnd.

Geboren in Jerusalem, ist er im kleinen Dorf Zichron Yaakov im Norden Israels aufgewachsen. „Ohne Internet, ohne einen Plattenladen und so blieb mir nichts anderes übrig, als Radio zu hören. Es war fürchterlich“, erinnert er sich lachend. Also begann er, selbst zu spielen, Klavier, Schlagzeug, dann Gitarre. Mit 18 ging er nach Tel Aviv, wo er ein Jazzstudium an der Rimon-Musikschule begann.

„Damals gab mir ein Freund eine dicke Box mit CDs und ich entdeckte Jimi Hendrix, King Crimson, Parliament und vieles andere für mich.“ Das hat ihn geprägt und bis heute ist nicht zu überhören, dass Kutiman es funky mag. Aber das ist nur eine Facette des Mannes, der zwölf Jahre lang in Tel Aviv lebte, in der Musikszene gut vernetzt ist, aber vor ein paar Jahren das Handtuch warf und in ein Kibbuz am Rande der Negev-Wüste zog. „Ich bin kein Stadtmensch, mag die Ruhe und die Natur“, sagt er, und das Leben im Kibbuz Tze’elim ist optimal für seine Arbeitsweise: ungestört basteln, mixen, probieren und verwerfen.

„Trial and error“ lautet die Devise, und Kutiman ist geduldig und ein permanent Suchender. Stundenlang treibt er sich im Internet rum, schaut sich Filme auf Youtube an und entdeckt unbekannte Talente. Samantha Montgomery alias Princess Shaw oder Nikki Dodd sind nur zwei der KünstlerInnen, denen Kutiman damit zu Popularität verholfen hat, weil er sie kontaktiert und zu einer seiner „Thru you Too“-Sound-Collagen eingeladen hat.

Samantha Montgomery etwa ist die tragende Stimme bei „Give it up“, einem Song, den Kutiman im September 2014 auf Youtube veröffentlichte. 1,2 Millionen Besucher in vier Tagen haben dem Song, der von einem sechsjährigen Mädchen am Klavier eröffnet wird, ehe sich Schlagzeug und Gitarre, Bass, Cello und Princess Shaws Stimme dazugesellen, zum Durchbruch verholfen.

Stundenlang surft Kutiel im Internet, schaut sich Youtube-Clips an und entdeckt unbekannte Talente

Begonnen hat Kutiman damit, Youtube-Schnipsel von Laien und Profis übereinanderzuschichten, bis es Klick macht. „Manchmal ist es nur eine Sekunde, in der alles ineinandergreift“, sagt der begeisterter Surfer. Der Strand von Jaffa, im Süden Tel Avivs, war sein Areal, hier hat er sich lange mit seinem Freund Uri Brauner Kinrot rumgetrieben. Der Bandleader von Ouzo Bazooka, einer Underground-Psycho-Band aus Tel Aviv, ist eine der zentralen Referenzen für Kutiman. Das ist auf dem letzten Kutiman-Album, „6AM“, nicht zu überhören. „She’s a Revolution“ ist dafür ein gutes Beispiel.

Doch der Durchbruch gelang Kutiman mit seinen Sound-Video-Collagen wie „Inner Galactic Lovers“, die er für die Online-Plattform „Fiverr“ produziert hat. Dort bieten Musiker, Grafiker, Filmemacher und andere Kreative ihre Dienste an. Das Portal bat den Schnipsel-Virtuosen, einen Song mit Künstlern aus dem Portal zu produzieren.

Auch für „Thru Hamburg“ wählte Kutiman die Musiker aus einer langen Liste aus, die ihm vorlegt wurde. Herausgekommen ist eine ungewöhnliche Mischung von Lebo Masemola über den „Damenlikörchor“ bis zur Brassband „Meute“ – typisch für den Querdenker aus der Wüste.

Wer hinter der Einladung steckt, das weiß Kutiman selbst übrigens gar nicht so genau. Der British Council, der schon andere seiner Video-Projekte koordiniert hat, stecke wohl dahinter, die Tourismusverantwortlichen der Hansestadt kämen wohl für die Kosten auf. Aber genauer will er es auch gar nicht wissen, um das Organisatorische kümmert sich ein guter Freund. Kutiel selbst will nur in Ruhe im Kibbuz Tze’elim arbeiten, denn das nächste Projekt steht längst an: ein Afrojazz-Album, das er in Sansibar aufgenommen hat.

„Thru You Princess“ und „Thru Hamburg“: Di, 4. Oktober, 19 Uhr, Abaton-Kino; Mi, 5. Oktober, 21.30 Uhr, B-Movie