Die WASG sägt an ihrem Chefsessel

Nach seiner Niederlage gegen die PDS im Kampf um einen Fraktionsposten wird WASG-Bundesvorstand Klaus Ernst auch innerhalb der eigenen Partei bekrittelt. Im Frühjahr drohen vorgezogene Vorstandswahlen. Realos hoffen auf Kontinuität

von KLAUS JANSEN

Klaus Ernst sagt gern, dass ihm Ämter „vollkommen wurscht“ sind. „Es ist viel schwerer, erster Bevollmächtigter der IG Metall zu werden als Bundestagsabgeordneter“, findet der Gewerkschafter und Bundesvorstand der WASG. Derzeit muss Ernst jedoch erkennen, dass auch politische Posten nur mühsam zu erlangen sind: Nachdem er Anfang September bei der Wahl zum Vizefraktionsvorsitzenden der Linkspartei gegen die unbekannte Abgeordnete Inge Höger-Neuling durchgefallen war, wackelt nun auch sein Parteivorsitz.

Am späten Sonntagnachmittag (nach taz-Redaktionsschluss) wollte der Länderrat der WASG vorgezogene Vorstandswahlen für den kommenden Februar oder März beschließen – und das, obwohl die vier Bundesvorsitzenden Klaus Ernst, Axel Troost, Thomas Händel und Sabine Lösing noch bis zum Jahr 2007 gewählt sind. Zwei Gründe sprechen aus Sicht der Basis und vieler Landesvorstände für einen vorgezogenen Wahltermin: Die Mitgliederzahl der WASG hat sich in einem Jahr verdoppelt, so dass der jetzige Vorstand nur von knapp der Hälfte aller WASGler legitimiert ist. Außerdem pocht die Basis auf die Trennung von Amt und Mandat. Laut WASG-Satzung ist diese Trennung grundsätzlich vorgeschrieben – eigens für die jetzige Führungsriege gilt jedoch eine Ausnahmeklausel bis zum Jahr 2007.

Ernsts Vorstandskollege Axel Troost hat bereits angekündigt, seinen Vorstandsposten im Frühjahr aufzugeben. Die Arbeitsbelastung sei nach seiner Wahl in den Bundestag zu hoch, sagt er. Ob sich Klaus Ernst ebenfalls zur Wahl stellt, lässt er noch offen: „Das entscheide ich, wenn es so weit ist“, sagte er der taz.

Ernst hat durchaus Grund, vorgezogene Vorstandswahlen zu fürchten. Zu oft hat der Bayer seine Ellbogen gegen parteiinterne Gegner ausfahren müssen, um aus der anfänglichen Chaostruppe WASG eine handlungsfähige Partei zu machen. „Er hat immer noch nicht begriffen, dass man eine Partei nicht wie eine Gewerkschaft führen kann“, kritisiert ein WASG-Bundestagsabgeordneter. Außerdem neiden ihm einige Funktionäre seine Medienpräsenz. Es werde zu oft vergessen, dass Ernst nicht der alleinige WASG-Boss sei, sagt der Chef eines mächtigen Landesverbands. Ernsts Niederlage in der Fraktion kommentiert er so: „Sein Stern sinkt nicht, sondern er war nie oben.“ Ernst, dem Macher des WASG-Aufstiegs, droht nun ausgerechnet nach der erfolgreichen Bundestagswahl eine persönliche Niederlage. Ob sich die WASG mit der Abwahl ihres Frontmanns tatsächlich einen Gefallen tun würde, bezweifeln allerdings Realos wie Bundesvorstand Thomas Händel. „Mir persönlich wäre an Stabilität im Vorstand gelegen“, sagte er der taz.

Denn in den kommenden zwei Jahren sei Kontinuität wichtig, um den Fusionsprozess mit der Linkspartei.PDS voranzutreiben. „Es ist wichtig, dass wir dabei von durchsetzungsfähigen Köpfen repräsentiert werden“, findet Händel. Und auch Ernst sagt: „Man muss Personalfragen immer vor dem Hintergrund der Perspektive der Partei sehen.“

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