Daheim streichelt Stoiber die Basis

Vorm Abgang nach Berlin befriedet der Bayern-Chef seine eigenen CSU-Reihen

MÜNCHEN taz ■ Die Personenschützer vom bayerischen Landeskriminalamt waren verdutzt. Eilfertig eilten sie aus dem Haus, um ihrem Chef Edmund Stoiber die Tür zum Wagen aufzuhalten. Doch der schlug gut gelaunt einen Haken: Wieder rein in den Besprechungssaal „Franz Josef Strauß“ der Hanns-Seidel-Stiftung, wo gerade CSU-Parteivorstand samt Landesgruppe den über die Berliner Koalitionsgespräche berieten.

Stoiber sucht den Kontakt zu seinen bayerischen Mitstreitern. Richtungswechsel heißt die Devise in München – zumindest, was den Umgang mit den Parteikollegen angeht. Der CSU-Chef hat nach der Bundestagswahl bemerkt, dass eine Politik ohne Basis nicht funktioniert. Und so wurde vergangene Woche auch das Menü getauscht: Statt bei Crème Brûlée von der Tonkabohne und gebratenen Jakobsmuscheln mit Estragon-Sauce im Restaurant „Käfer“ für den engsten Führungsstab saß der Chef mit seinen vier Vizes, den Fraktionschefs in den Parlamenten von München, Berlin und Brüssel und Generalsekretär Markus Söder in der Parteizentrale auf der anderen Seite der Isar. Bei Schnitzel und Kartoffelsalat. „Das war auch gut, aber billiger“, wird einer der neun zitiert.

Auch beim großen Geld soll es ein Umdenken gegeben haben. Das Finanzministerium wurde Stoiber angeblich ausgeredet. Zu gefährlich sei dieses Amt für Bayern: Denn auch ein Pfennigfuchser wie Stoiber könne den deutschen Schuldenberg nicht ohne harte Einschnitte in den Ländern sanieren. „Mit 34 Milliarden Bundesdefizit samt 30 Milliarden neuen Krediten“ rechnet Stoiber in diesem Jahr. Für einen stabilen Bundeshaushalt müssten sich aber auch die bereits jetzt gebeutelten Bayern die Hosen enger schnallen – und 2008 wird der Landtag gewählt.

Nicht dabei im Separée waren übrigens die zwei möglichen Nachfolgekandidaten auf dem Ministerpräsidentenstuhl, Günther Beckstein und Erwin Huber. Noch vor wenigen Tagen konkurrierten die beiden so heftig wie öffentlich um die Staatskanzlei. Jetzt aber diktieren sie identisch „Fairness und Kollegialität“ in die Blöcke und verweisen auf Stoiber. Der lässt über eine Münchner Nachfolge erst reden, wenn sein Platz im Bundeskabinett feststeht. „Man sollte die Landtagsabgeordneten entscheiden lassen“, behauptet er.

Und um noch näher ans Parteivolk zu rücken, wird auch der oft kritisierte Parteigeneral vorgeschickt. In einem sogleich an die Medien durchgereichten Schreiben gesteht Markus Söder den Kreis- und Ortsverbänden ein: Das Wahlergebnis der CSU sei „enttäuschend und unbefriedigend“. Um weitere Schlappen zu verhindern, würden künftig „die Diskussionsprozesse in der CSU mehr von unten nach oben führen“. Beginn der Basiskommunikation soll ein neu geschaffener Kommunalgipfel sein, bei dem Ortsvereine und Bürgermeister am 24. Oktober den großen Schwarzen ihr Leid Klagen können.

Heute schon will Stoiber wieder vor die Presse treten, um seinen nächsten Schritt zu verkünden. „Zeit und Inhalte sind völlig offen“, behauptete ein Sprecher der CSU-Landesleitung gestern noch. Doch hat der Chef dazu ja bereits in mancher Zeitung angedeutet, was wir als Vermutung hier verbreiten möchten: ein mit „Infrastruktur“ aufgemotztes Superwirtschaftsministerium für Stoiber, Günther Beckstein als Nachfolger und glatte 50 Prozent bei der Landtagswahl 2008.

MAX HÄGLER

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