LeserInnenbriefe
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Die verschlossene Gesellschaft

betr.: „Für das Gute – nicht nur gegen das Böse“, taz vom 23. 9. 16

Der Artikel verweist auf Karl Popper als Vater des Konzepts der „offenen Gesellschaft“ und die Überschrift deutet an, dass das Konzept „bipolar“ ist: eine strenge Gegenüberstellung richtiger/guter und falscher/schädlicher Gesellschaftsentwürfe und sozialer Programmatiken. Popper entwickelte das Konzept in den 1930er Jahren in einer Situation verschärfter Systemkonkurrenz zwischen marktwirtschaftlichen und (mehr oder weniger) zentralistisch-planwirtschaftlichen Gesellschaften sei es faschistischer, sei es kommunistisch-stalinistischer Art. Aber wie erklärt sich die aktuelle Konjunktur dieses Konzepts, warum jetzt eine Initiative Offene Gesellschaft, oder warum nimmt ein akademischer Mehrfachwürdenträger wie Henrik Enderlein das Konzept als Bezugspunkt, aus dem er bestimmte praktisch-politische Forderungen ableiten will?

Dazu lohnt sich der Blick in die Texte Poppers. Ein zentrales Merkmal der „offenen“ Gesellschaft ist die „Stückwerk-Technologie“ – Popper: „Der typische Stückwerk-Ingenieur wird folgendermaßen vorgehen. Er mag zwar einige Vorstellungen von der idealen Gesellschaft ‚als Ganzem‘ haben […], aber er ist nicht dafür, dass die Gesellschaft als Ganzes neu geplant wird. Was immer seine Ziele sein mögen, er sucht sie schrittweise durch kleine Eingriffe zu erreichen […].“ („Das Elend des Historizismus“, S. 53) Ihr Gegenmodell ist die „holistische“ oder „utopische“ Sozialtechnik“. Diese will „die Gesellschaft als Ganzes“ (S. 54) ummodeln, denn sie hängt der „historizistischen“ Überzeugung an, dass die kapitalistische Marktwirtschaft nicht unbegrenzt reformierbar sein wird. Ihr exemplarischer Vertreter – und somit „Erzfeind“ der offenen Gesellschaft – ist Karl Marx: „Marx war der letzte der großen holistischen Systembildner. Wir sollten Sorge tragen, dass es dabei bleibt.“ („Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, Band 2, S. 166.)

Poppers Konzept der „offenen Gesellschaft“ vollzieht eine Bedeutungsverschiebung dieses Ausdrucks: „Offen“ ist jetzt die gegen grundlegende Veränderungen verschlossene Gesellschaft; jede Idee einer an die Wurzeln der gesellschaftlicher Organisation gehenden Veränderung der Gesellschaft wir mit einem Tabu belegt. So verwendet es dann auch konsequent Enderlein mit Bezug auf die EU, wenn er schreibt: „Wer die offene Gesellschaft will“, sollte „die kleinen, aber wichtigen pragmatischen Schritte gehen“. Mehr wollten „in der Regel nur theorieverliebte Wissenschaftler – und Populisten“. Nikolaus Erichsen,Bonn

Kein geeigneter Kandidat

betr.: „Dieser gereizte Magen“, taz vom 20. 9. 16

In seinem Kommentar zu einem möglichen Linksbündnis auf Bundesebene meint Georg Löwisch, dass so ein „kühler Machtmechaniker“ wie Olaf Scholz der geeignete Kanzlerkandidat sei. Diese Option hat Angela Merkel aber schon konterkariert, indem sie Hamburgs Bürgermeister die Ausrichtung der G 20 im Juli 2017 aufs Auge gedrückt hat. Mariana Munk,Hamburg

Kranke Agrarindustrie

betr.: „Am Verbraucherinteresse vorbei“, taz vom 29. 9. 16

Der Autor Tobias Pastoors beschwert sich, dass die Stiftung Warentest die Meinung der befragten Kunden ignoriere. Zwei Drittel der Befragten gab moralische und ethische Gründe für den Kauf von Fleischersatzprodukten an. Aber sie selbst scheinen ihre eigene Meinung zu ignorieren: Welche moralisch-ethische Überlegung lässt einen zu Produkten von Wiesenhof, Rügenwalder Mühle (um diese geht es in dem Test) oder ähnlichen greifen? Geiz? Bequemlichkeit? Egal, ob die „richtige“ Wiener von Meica oder das Veggieschnitzel von Rügenwalder Mühle, sie sind Teil einer kranken Agrarindustrie, deren krassestes Symptom die Massentierhaltung ist. Ich denke, vegan, vegetarisch oder mit Fleisch ist zweitrangig, Menge und Herkunft sowie Produzent sind wichtiger. Michael Kaufmann, Schneverdingen

Es gibt keine Fürstinnen mehr

betr.: „Merkel heißt Angela wie ich“, taz vom 1./2./3. 10. 16

Sie haben „Angela Fugger von Glött – Fürstin“ viele Fragen nicht gestellt. Wenn Sie denn eine alte Dame schonen wollen, okay. Aber Sie sollten schon wissen, dass der Feudalismus nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland ein Ende gefunden hat, dass Adelstitel abgeschafft wurden und es daher in Deutschland keine Fürstinnen mehr gibt. Hartmut Klein-Schneider, Köln

Der Köbes in Düsseldorf

betr.: „Der Köbes“, taz vom 1./2./3. 10. 16

Liebe Frau Spitzmüller, den Köbes gibt es nicht nur in Köln. Diese Tradition gibt es auch in Düsseldorf. Aber es scheint mir sowieso, dass die Medien, leider auch die taz, im Westen immer nur Köln sehen. Dabei ist Düsseldorf eine viel tolerantere und auch lebenswertere Stadt. Friedhelm Horn,Rotenburg (Wümme)