LeserInnenbriefe
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Erst die Guerilla, dann Paramilitärs

betr.: „Künftig nur noch Wortgefechte“, taz vom 27. 9. 16

Die Umsetzung der Friedensverträge in Kolumbien ist eine Herausforderung. Menschenrechtsverteidiger_innen in Kolumbien haben den Friedensvertrag nur skeptisch begrüßt, sie befürchten einen weiteren Anstieg der politischen Gewalt gegenüber denjenigen, die Unrecht und dessen machtvolle Profiteure in Wirtschaft, Politik und Militär anprangern.

Seit Beginn der Friedensverhandlungen 2012 haben die Übergriffe jedes Jahr zugenommen. Allein seit der Ankündigung des endgültigen Friedensvertrags am 24. August wurden 22 Menschenrechtsverteidiger_innen ermordet. Laut UN-Menschenrechtsbüro überschritt die durchschnittliche Anzahl an Morden an Menschenrechtsverteidiger_innen im Jahr 2015 den Durchschnitt der letzten 20 Jahre.

Wie die taz-Reportage so treffend beschreibt, ist es besorgniserregend, dass in den historisch von der Guerilla Farc kontrollierten Gebieten ein Anstieg des Paramilitarismus zu beobachten ist. Diese paramilitärischen Gruppen sind nicht in diese Friedensverhandlungen miteinbezogen, verbreiten aber durch ihre soziale und wirtschaftliche Kontrolle Angst und Schrecken unter der Bevölkerung.

Für einen Frieden, der mehr ist als ein bloßer Waffenstillstand zwischen Regierung und der Farc, braucht es vor allem folgende Maßnahmen, die nur zum Teil in den Friedensverträgen vorgesehen sind: die Auflösung der Paramilitärs, eine grundlegende Landreform, die die Rückgabe von gestohlenem Land an die über 6 Millionen inneren Vertriebenen beinhaltet, sowie eine nachhaltige Industrie. Die kolumbianische Regierung setzt insbesondere auf den Bergbau als „Entwicklungslokomotive“. Dieser führt aber zu verheerenden Umweltschäden und in der Folge zur weiteren Zwangsumsiedlung. Kurzum, die Menschenrechtssituation in Kolumbien bleibt kritisch und erfordert trotz Friedensschluss heute mehr denn je internationale Aufmerksamkeit und die Schutzbegleitung von Menschenrechtsverteidiger_innen! Maren Kraushaar,Koordinatorin der Internationalen Menschenrechtsbegleitung FOR Peace Presence in Kolumbien

Ein wahnsinniges Projekt

betr.: „Kanada genehmigt Milliardenprojekt“, taz vom 29. 9. 16

Kanada hat sich bei der Klimakonferenz in Paris hervorgetan, tut sich aber schwer damit, daheim vom Export von Öl und Gas wegzukommen. Flüssiggas (LNG) ist etwas weniger umstritten als Bitumen, weil die unmittelbaren Folgen eines Lecks geringer sind. Gern wird behauptet, dass Gas sauberer und weniger klimaschädlich ist als Kohle. Das ist aber nicht wahr. Der Methanverlust bei der Förderung ist gewaltig. Auch ist all dieses Methan (Natural Gas/Erdgas ist Methan, CH4) gefrackt, was seine ganz eigenen und beträchtlichen Probleme hat.

Die Verflüssigung von Methan braucht wegen des erforderlichen hohen Drucks sehr viel Energie. Wenn man Gas verbrennt, um damit Strom für die Kompressoren zu machen, verbraucht man ein volles Drittel der Energie. British Columbia baut jetzt den Damm an Site C am Peace River, entgegen allen Verträgen mit den dortigen First Nations. Es gibt für diesen Strom keinen Bedarf – außer es gibt große LNG-Projekte.

Es ist der Industrie und der Regierung gelungen, die First Nations und den Rest der Öffentlichkeit viel mehr zu spalten als mit Bitumen. Es gibt einige Gruppen, die stark dagegen sind. Andere haben sich arrangiert und hoffen auf Geld. Die Proponenten nützen die diversen Organisationsstrukturen der First Nations weidlich aus. Viele haben Regierungen, die nach der kolonialen Gesetzgebung geformt sind, mit Jurisdiktion nur über die kleinen Reserves, aber auch traditionelle Regierungen, die für die nie abgetretenen Gebiete zuständig sind.

Wenn das gebaut wird, sind Kanadas Klimaziele zum Teufel. Dies könnte der Beginn des üblichen Rechtsrucks liberaler Bundesregierungen sein.

Außerdem ist die ganze Geschichte unprofitabel. Es gibt in Zentralasien große Mengen Methan, die man nur durch Röhren schicken und nicht verflüssigen muss. Korea, China, Indien und die anderen südasiatischen Länder schließen gerade langfristige Verträge mit zentralasiatischen Lieferanten ab. Zu viel billigeren Preisen, als man das hier produzieren kann.

Jetzt wird verbreitet (und gleich wieder dementiert), dass Petronas, die schwer korrupte malaysische staatliche Ölgesellschaft, das Projekt in Kanada lieber verkaufen will. Sie haben schon sehr günstige langfristige steuerliche Rahmenbedingungen, aber das ist nicht genug. Sie werden jetzt versuchen (prophezeie ich), die Anlagen von der Öffentlichkeit bauen zu lassen. Die Provinzregierung ist wahnsinnig genug, das zu tun.

CHRISTOPH DIETZFELBINGER, Smithers, Kanada

Den Taufschein verloren

betr.: „Astérix, Président! “, taz vom 27. 9. 16

Alles gut getroffen, was Rudolf Balmer hier schreibt. Allein, es fehlt der wichtigste Hieb gegen Sarkozys national-historische Haltung: Bei uns im Dorf sagte man: Der hat den Taufschein verloren, wenn einer seine Herkunft verleugnete. Der Vorgänger von François Hollande wird durch die eigene Geschichte in seiner stockfranzösischen Argumentation ad absurdum geführt. Sarkozy wurde am 28. Januar 1955 als Sohn ungarischer Eltern in Paris geboren. Da ist es doch eigentlich sehr erfreulich, dass unser geliebtes Nachbarland einem solchen Kind eine derartige Karriere ermöglichte. Vielleicht wird ja dereinst ein heute hier geborenes syrisches Flüchtlingskind deutsche Bundeskanzlerin. Nur eines wird man von ihr später nicht verlangen dürfen: dass sie sich auf Brünhild zurückführt. HEINZ MUNDSCHAU, Aachen