Betriebsanleitung für Altkanzler

SPD Gerhard Schröder stellt in Berlin eine Biografie über die späten Jahre von Helmut Schmidt vor

Schröder und Schmidt auf dem Parteitag 1998 Foto: reuters

BERLIN taz | Elf Jahre nach seinem Auszug aus dem Kanzleramt hat Gerhard Schröder zumindest eines erreicht: Die SPD lässt sich wieder mit ihm blicken.

Am Donnerstagvormittag sitzt der ehemalige Kanzler im Atrium des Willy-Brandt-Hauses. Gerade hat ihn Generalsekretärin Katarina Barley vom Rednerpult aus begrüßt, inklusive der Höflichkeitsfloskeln. Nun ist Schröder an der Reihe, legt ein spöttisches Lächeln auf und sagt dann: „Man merkt an den freundlichen Worten der Generalsekretärin: Meine Resozialisierung in der SPD schreitet unabwendbar vorwärts. Und was daraus sich noch entwickeln wird, das mag ich mir gar nicht vorstellen.“

Ja, was entwickelt sich daraus wohl noch? Schließt die SPD irgendwann ihren Frieden mit dem Mann, der nach der Agenda 2010 als Totengräber der Sozialdemokratie galt? Wird sie in ein paar Jahren sogar wieder auf seine Ratschläge bauen? Und wird sie ihn am Ende, so ab den frühen Dreißigerjahren, gar als Legende verehren?

An diesem Vormittag sitzt Schröder in der Parteizentrale, um die neueste Helmut-Schmidt-Biografie vorzustellen. Geschrieben hat sie Thomas Karlauf, der 28 Jahre lang als Lektor mit Schmidt gearbeitet hatte. Für das Projekt erhielt der Autor Zugang zu dessen Privatarchiv. Auf 482 Seiten beschreibt er detailliert, wie Schmidt seinen Ruhestand verbrachte.

Seinen Ruhestand, richtig. „Helmut Schmidt: Die späten Jahre“ beschränkt sich auf die 33 Jahre zwischen Schmidts Abwahl 1982 und seinem Tod 2015. Eben die Zeit, in der der zuvor umstrittene ehemalige Kanzler erst zum Elder Statesman wurde, sich dann mit seiner Partei versöhnte und schließlich einen Kultstatus zu erlangen. So gesehen könnte das Buch als Gebrauchsanleitung für Schröder taugen, der das Stadium des umstrittenen „Altkanzlers“ bislang nicht ganz überwinden konnte.

Dann wollen wir mal sehen: Schmidts Ruhestand teilt Karlauf in drei Abschnitte ein. Die Zeit bis 1990 bezeichnet er als „Jahre der Zurückhaltung“. Zurückhaltung ist dabei allerdings relativ zu verstehen: Vortragsreisen, Herausgeberschaft der Zeit, erste Buchveröffentlichungen: In Bezug auf sein Arbeitspensum hielt sich Schmidt unmittelbar nach seiner Kanzlerschaft nicht zurück.

Schröder, der nach seiner Amtszeit ebenfalls neue Tätigkeiten aufnahm, kann das verstehen. „Wer von hundert auf null abbremsen muss, braucht diese Geschäftigkeit, die natürlich auch dem eigenen Ego schmeichelt“, sagt er am Donnerstag.

Es folgt: Phase zwei, die „Jahre der Einmischung“. Nach der Wende mischt sich Schmidt wieder stärker in innenpolitische Debatten ein, was dazu führt, dass ihm Vertraute 1993 nahelegen, eine Rückkehr als Kanzlerkandidat zu versuchen – was Schmidt schließlich mit Verweis auf sein Alter ablehnt. Zumindest das hat sich Schröder schon von seinem Vorgänger abgeschaut. Nach einem Comeback hat in seinem Fall zwar noch niemand gerufen, eine Kandidatur schließt er am Donnerstag aber schon mal aus: „Es läuft alles so gut in der SPD, das soll auch so bleiben.“

„Es läuft alles so gut in der SPD, das soll auch so bleiben.“

Gerhard Schröder

Entscheidend wird allerdings erst Phase drei: die „Wege des Ruhms“. Schmidts Legendenstatus in den letzten Lebensjahren führt Karlauf auf eine Mischung zwischen dem „unabhängigen Kopf“ und dem hohen Alter zurück. „Äußerte sich Schmidt zu aktuellen Themen, stellte er durch Rückgriff auf eigene Erfahrungen einen Kontext her, der half, die Ereignisse zu entdramatisieren und langfristige Perspektiven aufzuzeigen“, schreibt er. Ein Erfolgsrezept, dass irgendwann auch bei Schröder zieht?

„Das ist mir egal“, sagt Schröder. Die Geschichte fälle ihr Urteil erst nach seinem Tod, und dann berühre ihn sein Ansehen eh nicht mehr. Das mag man ihm nun glauben oder nicht – erklären würde es aber zumindest so einiges. Tobias Schulze