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Beste Musik-Freunde

KULTURAUSTAUSCH Seit einem Jahr bringen der Hamburger Thorben Beeken und der Syrer Ameen Khayer als „Shkoon“ arabische und westliche Musik ganz organisch zusammen

Die Chemie stimmt: Thorben Beeken und Ameen Khayer sind „Shkoon“ Foto: Lena Diekmann

von Robert Matthies

Dass die Chemie zwischen beiden stimmt, merkt man sofort. „Welches Bier?“, fragt der eine und der andere antwortet lachend: „Das entscheidest wie immer du. Ich vertraue dir total.“ Vor einem Jahr erst haben sich der Hamburger Thorben Beeken und der Syrer Ameen Khayer in einer WG in Wilhelmsburg kennengelernt. Heute sind die beiden unzertrennliche Freunde und machen gemeinsam so oft es geht stundenlang Musik. Überaus erfolgreich sind sie damit, fast jede Woche kann man sie gerade auf der Bühne erleben, auf Soliparties in der Roten Flora, in kleinen Hamburger Bars, in Berliner Clubs, auf dem Fusion-Festival – und am nächsten Wochenende beim 100. taz.salon im Kulturhaus 73.

„Shkoon“ nennt sich das Duo – wie das erste arabische Wort, das Ameen Thorben damals beigebracht hat. Das bedeutet so viel wie: „häh?“, „wer?“ oder „was?“. Tatsächlich ist ihre Geschichte nicht nur die einer Freundschaft und einer erstaunlich schnell gelungenen „Integration“, sondern auch die eines gegenseitigen Verstehenwollens und eines ernsthaften Interesses für die Kultur des jeweils anderen.

Traditionelle arabische Melodien, Klänge und Gesang verbinden „Shkoon“ mit westlichen harmonischen Strukturen, mit langsamen House-Beats und fetten Basslines. Heraus kommt ein eigener Stil, den die beiden „Oriental Slow House“ nennen.

Neu ist die Idee nicht, westliche Musik mit arabischen Einflüssen zu verbinden. „Wir haben das natürlich nicht erfunden“, gibt Thorben zu. Aber anders als die meisten mischen „Shkoon“ nicht einfach ein paar Aufnahmen und für europäische Ohren ungewöhnlich klingende Samples zusammen, sondern komponieren organische Songs, die sie live spielen. Auf der Bühne stehen Drums, Drummachines, ein Piano und Synthies, Ameen singt.

Vor einem Jahr ist der Syrer aus Deir ez-Zor nach Hamburg gekommen, über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich, wie so viele andere. Wenn er davon erzählt, klingt es wie eine Abenteuergeschichte. „Weil die Geschichte eben ein Happy End hat“, lacht Thorben.

Eigentlich wollte Ameen nach Schweden, um dort sein Marineingenieur-Studium abzuschließen. Denn daraus ist in Syrien nichts geworden, die regimetreuen Professoren an der Uni in Latakia stellten sich dem Regimekritiker in den Weg, einen Monat lang saß er im Gefängnis. Als er zur Armee sollte, hat Ameen sich auf den Weg gemacht. „Ich gehe in keine Armee oder Gruppe, um andere umzubringen“, sagt er.

In Hamburg ist Ameen schließlich hängen geblieben. „Hier ist es wie zu Hause“, sagt er. „Ich bin so gechillt hier.“ Dass das so ist, hat auch mit seinen Freunden zu tun. Die boten dem Syrer beim Helfen in der Erstaufnahme in den Messehallen an, sich in ihrer WG auszuruhen. Eines Abends saßen dort dann alle gemeinsam in der Küche, rauchten, tranken und redeten über Ameens Reise – und über Musik. „Irgendwann haben wir Ameen, der vorher nur privat, aber immerzu und leidenschaftlich gesungen hat, gebeten, etwas Arabisches zu singen“, erzählt Thorben. „Das hat alle sofort berührt.“

Dass die Leidenschaft für Musik sie verbindet, haben beide dann schnell herausgefunden. „Ameen mag traditionelle arabische Oud-Musik“, sagt Thorben, „und ich mag klassische westliche Musik, damit bin ich groß geworden. Natürlich ist beides ganz unterschiedlich, aber wir haben viel entdeckt, wie die arabischen Instrumente und Tonarten, die Maqams, mit westlichen Klängen und Tonarten verknüpft sind.“ Beides zusammenzubringen, ist dabei gar nicht so einfach, Vierteltöne und Polyphonie etwa schließen sich aus.

„Deswegen verbringen wir auch so viel Zeit miteinander“, sagt Ameen. „Die ersten Monate haben wir jeden Tag im Studio verbracht. Wir hatten einfach nichts zu tun.“ Zeit, die die beiden aber auch brauchen, um all die unzähligen Ideen in Songs umzusetzen. „Sowas kann man nicht einfach mit einer Theorie im Kopf machen“, sagt Thorben. „Das Gefühl zur Musik muss stimmen“, ergänzt Ameen.

Ein Glück, dass alles immer aufgenommen wird: Die erste EP ist längst fertig gemastert und erscheint bald. Jetzt arbeiten die beiden schon am Debütalbum auf dem kleinen Label „Under yourskin Records“. Dafür wollen sie sich aber Zeit nehmen: „Wir haben Tonnen von Musik“, sagt Thorben, „aber wir möchten nicht einfach eine Compilation machen, sondern etwas, das zusammenpasst, etwas wie eine Geschichte, die durchgeht.“ Wie die von Thorben und Ameen.

Sa, 24.9., 20 Uhr, Centro Sociale; So, 2.10., „100 Jahre taz.salon“, Kulturhaus 73; Fr, 7.10., 19 Uhr, Kampnagel; So, 30.10., 21 Uhr, Fabrik

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