Wochenschnack
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Unten nehmen, oben geben

Armut Fünf Euro mehr bewilligt Arbeitsministerin und SPDlerin Andrea Nahles den Hartz-IV-Abhängigen. Reiche Erben bleiben unbehelligt

Foto: Welche Freude! Attac und Campact im Juni vor dem Bundestag Foto: B. Kietzmann

Es wird getrickst

betr.: „Schmerzensgeld und Trostpflaster“, taz vom 22. 9. 16

So kann man es auch sehen: Gerhard Schröder, der Täter. Einerseits ist die kurze Frist zwischen dem Arbeitsleben und der Sozialhilfe bedenklich, andererseits aber auch die kurze Frist zwischen dem Politikerleben und dem Managerposten.

In dem Interview mit Ulrich Schneider wird ja deutlich geschrieben, wie getrickst wird, um die Armen noch ärmer und abhängig zu machen, sie von der gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. Gleichzeitig wird getrickst, um die Reichen, die letztendlich nur vom Verleihen des Geldes an die Wirtschaft und die Staaten leben, noch reicher zu machen. NORBERT VOSS, Berln

Von links unten

betr.: „Nahles macht die Armen glücklich“, taz vom 22. 9. 16

Das eigentliche Problem bei der Politik von Andrea Nahles liegt weniger in den symbolisch kaltherzigen 5 Euro mehr für Hartz-IV-Bezieher als vielmehr darin, dass sie leider eine mittlerweile klassische SPD-Karriere widerspiegelt, wonach man in jungen Jahren beim linken Flügel beginnt und mit der Zeit immer weiter in die Mitte beziehungsweise nach rechts rückt. Schließlich wurde von der Arbeitsministerin in der jüngeren Vergangenheit ebenfalls die Dokumentationspflicht für als besonders betrugsanfällig geltende Branchen beim Mindestlohn gelockert sowie ein Gesetz auf den Weg gebracht, das sogar das Vorurteil der AfD für bare Münze nimmt, wonach angeblich zunehmend auch EU-Ausländer aus Osteuropa die Sozialkassen der Kommunen belasteten. Deshalb zeigt sich hier vor allem die große Wertekrise der modernen Sozialdemokratie, die spätestens seit der Jahrtausendwende auf einem prinzipienlosen Pragmatismus basiert! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Portogeld

betr.: „Nahles macht die Armen glücklich“, taz vom 22. 9. 16

Nun, die sagenhaften 5 Euro ALG-2-Almosen kann man als SPD-Mitglied doch sofort prima anlegen. Sie decken die Kosten für Ausdruck, Briefumschlag und Einschreibenporto, um das Parteibuch nach Berlin zurückzusenden.

UDO SIEBRASSE, Gelsenkirchen

Prima Masche

betr.: „Schmerzensgeld und Trostpflaster“, taz.de vom 21. 9. 16

Langzeitarbeitslosen etwas glaubhaft in Aussicht stellen? Das ideologische Hauptinstrument der Jobcenter, den Langzeiterwerbslosen die Schuld an ihrer Erwerbslosigkeit in die Schuhe zu schieben, ist wohl die Behauptung sogenannter Vermittlungshemmnisse, also von in der Person des/der Langzeiterwerbslosen oder seiner/ihrer Lebensumstände liegenden „Mängeln“, welche die Vermittlung „hemmen“. Hier offenbart sich die ganze Ideologie im Kleinen, denn so etwas wie Vermittlung findet im Sinne des Wortes ja überhaupt nicht statt. Nimmt man noch die Information dazu, dass der Niedriglohnsektor mit 24,3 Prozent der Beschäftigten in Deutschland heute so groß ist wie in keinem anderen hochentwickelten europäischen Land, zeigt das, wie gut die Masche funktioniert. PATTY, taz.de

Maßlos Satte

betr.: „Schmerzensgeld und Trostpflaster“, taz.de vom 21. 9. 16

Inzwischen gibt es in der BRD etwa 15 Millionen Menschen, die nicht genug Geld zur Verfügung haben, um eine Familie zu ernähren. Dazu gehören „Hartzler“ und die ganzen modernen Sklaven in Pflegeberufen, beim Paketdienst oder ähnliches.

Auf der anderen Seite gibt es immer mehr fünfstellige Monatseinkommen, wodurch diese überreich Bezahlten, maßlos Satten jeden Bezug zur Realität verlieren, da auch Strafen sie nicht treffen.

ZEBRA, taz.de

Uns geht̕sgut

betr.: „Schmerzensgeld und Trostpflaster“, taz.de vom 21. 9. 16

Solange der prozentuale Anteil der Hartz-IV-Betroffenen, Armutsrentner und sonst wie abgehängten und ausgeschlossenen Menschen nicht über 40 Prozent wächst, besteht keinerlei Gefahr, ergo keinerlei Handlungsbedarf für unser politisches System, denn unterm Statistikstrich geht es „uns“ beziehungsweise „Deutschland“ ja gut.

KHALED CHAABOUTÉ, taz.de

Zur Kasse, bitte

betr.: „Die soziale Balance ist gefährdet“, taz.de vom 23. 9. 16

Was hat sich eigentlich bei der Erbschaftssteuer jetzt geändert? Im Grunde genommen nicht viel, so klingt es wie ein Hohn, dass die Erbschaftssteuer bei Familienunternehmen nicht greifen soll, weil dann Arbeitsplätze gefährdet sein sollen. Man kennt diese Ausrede noch aus der jüngeren Vergangenheit bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Es wäre doch nur gerecht, wenn Erben bei größeren Familienunternehmen auch durch die Steuer zur Kasse gebeten werden und natürlich sollten kleinere Familienunternehmen davon verschont bleiben, so was hat auch was mit sozialer Steuergerechtigkeit zu tun! René Osselmann, Magdeburg

Neoliberale Denke

betr.: „Die soziale Balance ist ­gefährdet“, taz.de vom 23. 9. 16

Diese Balance ist nicht nur gefährdet, sie ist nicht da. Der Zuwachs des privat verfügbaren Finanzvermögens ist laut Bundesbank von 1992 bis heute von 1,7 auf 5,3 Billionen Euro in der Bundesrepublik gestiegen. 5 Prozent vom Bruttosozialprodukt, 150 Milliarden Euro gehen jährlich in private Verfügung über. Welches Geschäftsmodell hält das aus? Den Staat, das Gemeinschaftsprojekt des Zusammenlebens aller kleinzuhalten, ist das Credo neoliberaler Denke. Doch das hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet, sondern die Ungleichbehandlung von reichen Erben. Wer Immobilien erbt, zahlt mehr als ein Firmenerbe – das ist die „Gerechtigkeitslücke“, die das Verfassungsgericht beanstandet. Klaus Warzecha, Wiesbaden

Hilfe für AfD

betr.: „Schmerzensgeld und Trostpflaster“, taz vom 22. 9. 16

Frau Nahles begründet die von ihr und der Bundesregierung im Rahmen der Regelsatzermittlung gezogenen Grenzen gesellschaftlicher Teilhabe für Leistungsbezieher des SGB II und SGB XII damit, dass es darum gehe, „die Relation zu wahren zwischen Leuten, die arbeiten gingen, und Leistungsempfängern“. Diese Relation bliebe auch bei einem armutsfesten Regelsatz vollständig gewahrt, indem der gesetzliche Mindestlohn auf das für eine später armutsfeste gesetzliche Rente der betroffenen Arbeitnehmer notwendige Niveau angehoben wird – welches das Bundesarbeitsministerium schon im vergangenen Jahr auf 11,50 Euro brutto pro Stunde beziffert hat. Doch um die konkrete Umsetzung drückt sich Frau Nahles bis heute. Das fördert das weitere Erstarken der rechtspopulistischen AfD, denn gerade bei Arbeitern und Arbeitslosen ist die AfD stärkste Partei – trotz ihrer sozialpolitisch noch weitaus neoliberaleren Grundsatz- und Wahlprogramme. Wohl deshalb, weil diese Wählerschichten Parteiprogramme nicht lesen und nach Jahren der Wahlabstinenz in der AfD fälschlicherweise ein wirksames Ventil gefunden zu haben glauben, um ihrem Ärger Luft zu machen. Elgin Fischbach,Leimen