LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Beharrlich dran bleiben

betr.: „Sexuelle Gewalt. Buchhalter des Missbrauchs“,taz vom 24. 9. 16“

Nichts ist beruhigender, als zu wissen, dass es beharrliche Menschen gibt, die dranbleiben, wo ein solch unglaubliches Verbrechen an Leib und Seele von Kindern geschieht, die genau hingucken und sich nicht beschwichtigen lassen. Nichts ist beunruhigender als die Aussicht, dass auch Schulungen und Schmerzensgelder nichts ändern werden, dass sich genau solche Verbrechen immer wiederholen. Denn die Täter sitzen überall, auch in den Reihen der Staatsanwaltschaft. Die Solidarität mit Opfern erfordert gesellschaftlich sehr viel Mut und Ausdauer! Denn die meisten von uns stehen lieber an der Seite von Gewinnern als von Losern. HILDEGARD MEIER, Köln

Notwendige Würde

betr.: „Versuch im Hinterzimmer“, Antje Hermenau, Grüne, spricht mit der AfD, taz vom 24. 9. 16

„Wer schätzt sie“, das ist die zentrale Frage in diesem Artikel. Wer sich ernst genommen und geschätzt fühlt, der fühlt sich als Teil der Gesellschaft. Der/die radikalisiert sich nicht.

Ernst genommen hat Frau Hermenau die Anhänger der AfD. Das gibt denen die notwendige Würde, unabhängige Meinungen zu bilden. Ein Schritt zur gemeinsamen Annäherung im menschlichen Bereich. HANS-JÜRGEN SITTEK, Moers

CO2-Steuer vergessen

betr.: „Klimawandel“,Streitgespräch, taz vom 17. 9. 16

Frau Unmüßig kritisiert grundsätzlich die Bepreisung von CO2 und begründet dies mit der geringen Wirkung des Emissionshandels. Herr Edenhofer versucht ihr immer wieder die Wirksamkeit von Emissionspreisen klarzumachen. Leider vergessen beide dabei, dass es neben dem Emissionshandel auch noch die CO2-Steuer zur Bepreisung gibt. Diese wird zum Beispiel von Christine Lagarde, der Vorsitzenden des IWF, gefordert.

Die Steuer kann den Emissionshandel gut ergänzen und lässt sich schnell und einfach einführen. Unternehmen können dabei keine Emissionsminderungen im Ausland anrechnen. Es ist nicht entscheidend, genau zu wissen, wie hoch diese CO2 Steuer letztendlich sein muss, damit sie der ökologischen Wahrheit entspricht. Wichtiger ist, dass es einen Mechanismus gibt, der die Höhe der Steuer mit der Einhaltung der gewünschten Emissionsminderung verknüpft. Reicht die Minderung nicht aus, steigt der Steuersatz so lange, bis das gewünschte Ziel erreicht ist.

CO2-Steuern haben mittlerweile schon 13 europäische Staaten eingeführt, zuletzt Irland, Portugal und Frankreich. Es wird Zeit, dass sich endlich auch in Deutschland die Umweltverbände differenziert mit dem Thema CO2-Preis befassen und dabei die Chancen einer CO2-Steuer erkennen.

MICHAEL SCHRÖDER-SCHULZE, WEILHEIM

Reaktionär verhalten

betr.: „Die eine Frage. Eingemauert im Stammwählerdorf“,taz vom 24. 9. 16

Am Ende verwendet Peter Unfried sogar das Wort ökosozial in seiner oft wiederholten Leier, die Grünen müssten sich „kretschmannisieren“. Dabei hat gerade der grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg das Soziale ganz und das Ökologische halb abgeräumt, da es ihm und der CDU machtpolitisch im Weg stand. Und auch sein zweiter Hauptzeuge, Dieter Salomon, bedient zwar brav die Interessen seiner Freiburger Klientel, die sich unter Grünen eine FDP mit Fahrrad vorstellt – hat sich aber gerade in sozialen Fragen reaktionär verhalten, etwa in seiner Eigenschaft als baden-württembergischer Funktionär der öffentlichen Arbeitgeber, wo er bei mehreren Tarifverhandlungen härtesten Neoliberalismus auffuhr, neben dem selbst CDUler wie moderate Vertreter einer funktionierenden Tarifpartnerschaft wirkten.

SIEGFRIED HEIM, Ulm

Hartz IV als Drohkulisse

betr.: „ Hartz IV. Menschen werden ausgegrenzt“,taz vom 22. 9. 16

Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband glaubt, Andrea Nahles berechne die Regelsätze für ALG-II-EmpfängerInnen so niedrig, weil sie Ministerin einer Bundesregierung ist, „die schlechterdings kein Geld ausgeben will“. Demnach wären Ausgrenzung und Ausschluss von der sozialen Teilhabe die Kollateralschäden eines übertriebenen Sparticks. Ich denke dagegen, sie sind der eigentliche Zweck.

Dinah Riese und Anna Lehmann fassen in ihrem Artikel „Christbaum bleibt Luxus“ die Position von Andrea Nahles folgendermaßen zusammen: „Es gehe darum, die Relation zu wahren zwischen Leuten, die arbeiten gingen, und Leistungsempfängern.“ Klar , die Relation zwischen einem Leben mit Hartz VI und miesen Jobs im Billiglohnsektor bleibt damit gewahrt. Statt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wird Abgrenzung nach unten betrieben. Hartz VI und die damit einhergehende Ächtung durch den Rest der Gesellschaft wirkt auf alle, die eine Stelle haben, als Drohkulisse und hält sie davon ab, sie aufs Spiel zu setzen, indem sie beispielsweise auf ihre Rechte pochen. So funktioniert Standortfaktor Deutschland in Europa.

UTE WIENERS, Hannover