Clements letzter Wille wird nicht erfüllt

Arbeitsagenturen in Nordrhein-Westfalen wollen Kontrollen von ALG-II-Empfängern nicht ausweiten. Der Missbrauch von Hilfeleistungen habe sich nicht entscheidend ausgeweitet, heißt es vor Ort: „Wir wollen keinen Sheriff-Charakter“

BOCHUM taz ■ Er wolle seine neuen Freiheiten „auskosten“, hat Wolfgang Clement (SPD) gestern gesagt. Der frühere NRW-Ministerpräsident und Herr über die Arbeitsmarktreform Hartz IV wird dem neuen Kabinett nicht mehr angehören. Die letzte Amtshandlung des wirtschafts- und Arbeitsministers wird zur Freude vieler Langzeitarbeitslosen voraussichtlich folgenlos bleiben: Die am Freitag von Clement geforderte stärkere Kontrolle von Arbeitslosengeld-II-Empfängern wird in NRW vorerst nicht umgesetzt.

„Vorrang für die Anständigen: Gegen Missbrauch, ‚Abzocke‘ und Selbstbedienung im Sozialstaat“ – so lautet der Titel des Programms, mit dem Clement Arbeitslosen auf die Pelle rücken wollte, die zu Unrecht Leistungen beziehen. Konkret bedeutet das: Verstärkte Hausbesuche und Telefonkontrollen, besserer Datenabgleich zwischen Arbeitsagenturen und Finanzämtern sowie Trainingsprogramme mit Anwesenheitspflicht für Langzeitarbeitslose.

Clements Hoffnung: Durch die Aktion die steigenden Kosten für Hartz IV in den Griff bekommen werden. Nach einem Bericht der Kölner Stadtanzeigers gibt es bei den ALG-II-Empfängern durchaus noch etwas zu holen: die Innenrevision der Kölner Arbeitsagentur habe ergeben, dass pro Bedarfsgemeinschaft jährlich im Schnitt 1.440 Euro zu viel ausgezahlt werden.

In den Arbeitsagenturen in NRW wird jedoch bezweifelt, dass diese Zahlen auf einen verstärkten Missbrauch der staatlichen Unterstützung hinweisen. „Es ist völlig natürlich, dass sich statistische Überzahlungen ergeben. Das passiert zum Beispiel dadurch, dass sich die Einkommensverhältnisse eines Leistungsempfängers zu Monatsbeginn ändern, unsere EDV das aber erst im Laufe des Monats erfasst“, sagt Marcell Raschke, Geschäftsführer der Aachener Arbeitsgemeinschaft (ARGE) aus Arbeitsagentur und Stadt.

In Aachen sollen deshalb die Hausbesuche bei Arbeitslosen nicht wie von Clement gefordert ausgeweitet werden. „Wir werden kein Sonderpaket schnüren“, so Raschke zur taz. Er wolle nicht, dass sämtliche ALG-II-Bezieher „unter Generalverdacht“ gestellt würden. Denn: „Die Anzahl derer, die unsere Leistungen missbrauchen, liegt nur bei drei bis vier Prozent.“

Auch in Dortmund will die Arbeitsagentur keine zusätzlichen Mitarbeiter im „Außendienst“ einstellen. „Wir haben sechs Leute vom Sozialamt übernommen, die unsere Kunden auch kennen. Weitere Planungen gibt es nicht“, sagt Agentursprecherin Daniela Karlic. Zudem werde nur bei begründeten Verdachtsfällen kontrolliert, versichert sie: „Wir wollen keinen Sheriff-Charakter haben.“ In Düsseldorf und Essen wird bislang sogar völlig auf Hausbesuche verzichtet. „Man muss immer rechnen, ob sich der Aufwand lohnt“, sagt Essens Agentursprecher Jens Schwermer.

Auch in der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Düsseldorf werden Clements Forderungen zurückhaltend aufgenommen. Sprecher Werner Marquis verweist darauf, dass Hausbesuche Sache der lokalen Agenturen seien und der Datenabgleich mit den Finanzämtern bereits stattfinde. „Ich kann nicht beurteilen, ob es eine Verschärfung der Kontrollen gibt“, sagt er. Klar ist nur: Entscheiden wird das nicht mehr Wolfgang Clement, sondern sein Nachfolger in Berlin. KLAUS JANSEN