„Der Vielfalt gerecht werden“

INKLUSION Ein Österreichischer Inklusions-Experte gastiert mit Studierenden in Bremen

■ 44, ist Professor für inklusive Pädagogik in Linz. Seit seiner Ausbildung zum Sonderpädagogen setzte er sich für Integration ein.

taz: Herr Feyerer, halten Sie Ihren Vortrag über „Inklusion in Österreich“ in leichter Sprache?

Ewald Feyerer: Prinzipiell ist das eine gute Idee, aber das ist sehr herausfordernd. Und es kommt auch auf die Zielgruppe an, in diesem Fall spreche ich vor allem zu Lehrern. Wir haben einige Symposien in leichter Sprache veranstaltet – für uns Wissenschaftler ist das manchmal nicht selbstverständlich.

Was hat Bremen, dass es sich lohnt, für eine Exkursion ganz aus Linz zu kommen?

An unserer Pädagogischen Hochschule haben wir das Lernfeld „Eine Schule für alle“. Bremen ist bei der gesetzlichen Umsetzung der Inklusion vorbildlich gewesen, ebenso der nun emeritierte Professor Feuser mit seinem didaktischen Konzept.

Bremens Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) kündigte kürzlich ihren Rücktritt an – auch, weil zu wenig Geld für die Inklusion eingeplant werde.

Das habe ich auch mitgekriegt. Anscheinend ist das Gesetz nicht mit den notwendigen Maßnahmen unterfüttert. Man braucht zusätzliche Pädagogen mit zusätzlichen Kompetenzen, sonst ist Inklusion nur ein Sparprogramm. Es geht nicht hauptsächlich, aber auch ums Geld.

Was wäre denn noch wichtiger?

Das Hauptproblem sind die Werte und Einstellungen im deutschsprachigen Raum, die auf Homogenisierung ausgerichtet sind: Mit einem mehrgliedrigen Schulsystem, in dem aber die Klassen als homogene Gruppe gedacht werden. Stattdessen sollten wir versuchen, der Vielfalt der Kinder mit einer Schule für alle gerecht zu werden, die sich bewusst ist, dass alle Kinder sich unterscheiden.

Indem man das Niveau senkt?

Das ist immer die große Befürchtung, passiert aber nur, wenn die Schule so wie sonst gedacht wird und man in der Gruppe immer auf den Letzten wartet. Forschungen zeigen, dass sich die Schulleistungen der nicht-behinderten Kinder von denen in der Parallel-Klasse nicht unterscheiden. Vielmehr ist das Wohlbefinden größer und wegen des offeneren Unterrichts ein höheres Selbstbild vorhanden.INTERVIEW:JPB

17 Uhr, DGB-Haus, Bahnhofspl. 29