LESERINNENBRIEFE
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Unternehmen Hochschule

■ betr.: „Von Eltern und Studenten“, Kommentar von Christian Füller, taz vom 19. 11. 09

Der Großteil der protestierenden StudentInnen wünscht sich nicht das Humboldt’sche Bildungsideal von „Einsamkeit und Freiheit“ in den universitären Betrieb zurück, wie Ihr Kommentator behauptet. Vielmehr richtet sich der Unmut gegen die Hochschule des 21. Jahrhunderts mit ihrem unternehmensähnlichen Selbstverständnis.

Seit einem Jahren bezahle ich nun Studiengebühren für mein Studium an der Universität Bonn, was mich eigentlich in einen „Kundenstatus“ versetzen sollte. Mal abgesehen von längeren Bibliotheksöffnungszeiten konnte ich keine Verbesserungen ausmachen. Völlig überfüllte Hörsäle und Seminare, unter denen die Lehre leidet, sind ein Missstand, der sich durch mein gesamtes Studium zog. Wurden die Unis durch die Bologna-Reformen zu Institutionen sozialer Mobilität ausgebaut? Im Gegenteil: Die strengen Stundenpläne und häufigen Prüfungen mit höchstens einmaliger Wiederholungschance selektieren gerade Nichtprivilegierte aus den höheren Bildungsinstitutionen. Über 30 Stunden pro Woche müssen Kommilitonen im Bachelorstudiengang an der Universität anwesend sein, das macht auch einen für viele notwendigen Nebenverdienst schwierig, da sie nur noch am Wochenende lange Schichten ableisten können.

Die als Universitätsleitung an den nordrhein-westfälischen Universitäten eingesetzten (und nicht gewählten) Hochschulräte haben nicht nur die universitäre Selbstverwaltung aufgedröselt, da sich ihre Mitglieder zum Teil von externen Wirtschaftsunternehmen rekrutieren. Sie haben, zumindest in Bonn, wenig Sinn für die tatsächlichen Belange der Studenten bewiesen und mit dem Versprechen gebrochen, Studiengebühren lediglich in die Lehre einfließen zu lassen. Stattdessen werden teure Toilettensanierungsmaßnahmen mit Studiengebühren bezahlt. CARLSIEDOW, Köln

Studium light für Arme

■ betr.: „Von Eltern und Studenten“

Wenn von linken BildungspolitikerInnen die „Öffnung der Unis für breitere Schichten“ gefordert wird, ist damit nicht die Zweiteilung in ein „minderwertiges“ Bachelor- und ein „höherwertiges“ Masterstudium gemeint, sondern in erster Linie die Finanzierbarkeit, also eine soziale Öffnung. Wenn Herr Füller im BA/MA-System das Ziel der sozialen Öffnung erreicht sieht, behauptet er implizit, die einkommensschwächeren Schichten fühlten sich durch ein „Studium light“ eher angesprochen. Dies impliziert wiederum die Ansicht, dass einkommensschwächere Studierende von den hohen Ansprüchen eines MA-Studiums abgeschreckt würden – auf gut Deutsch: dass sie dümmer/leistungsschwächer/weniger ehrgeizig seien!

Die Zweiteilung in BA und MA ist nicht per se verkehrt; was falsch ist, ist die selektive Wirkung dieser Schwelle. Wenn innerhalb eines Jahrgangs nur ein bestimmter Teil der Studierenden einen MA-Studienplatz zugesichert bekommt, werden wiederum in erster Linie die einkommensschwachen Studierenden aus der Uni gedrängt. Sinnvoll ist die Möglichkeit (!) für Studierende, bereits nach einiger Zeit einen anerkannten Abschluss in der Tasche zu haben; nicht sinnvoll ist es, die „Öffnung der Unis für breitere Schichten“ auf das BA-Studium zu beschränken. Einkommensschwache Studierende ja – aber nur bis zum Bachelor!? Solange die auch von Herrn Füller propagierten Studiengebühren existieren, wird die Zweiteilung des Studiums immer auch eine soziale Zweiteilung sein. TILMAN RIEDEL, Möckmühl

Missbrauch der Universitäten

■ betr.: „Von Eltern und Studenten“

Christian Füller scheint Schule und Uni offenbar verlassen zu haben, ehe sich Bildung nach Pisa-Lüge und Durchökonomisierung stetig verschlechtert hat. Wenn eine Universität nicht zweckfrei sein soll, möge er bitte einmal darlegen, zu welchem Zweck sie missbraucht werden darf. Zweckfreiheit bedeutet Unabhängigkeit. Und Unabhängigkeit bedeutet eben auch Freigeistigkeit sowie kritisches Hinterfragen. Aber: Kann sich ein freier Geist kritisch entwickeln, wenn Forschung und Lehre durch Staat, Kirche oder ökonomische Interessen ferngelenkt werden? Wenn der Hochschulrat beinahe ausschließlich aus Unternehmensvertretern besteht, die Geisteswissenschaften mehr und mehr in die dritte Reihe verdrängen und völlig ungeniert für ihre Zwecke – und nur dafür – ausbilden lassen, dann kann das nicht gut sein. Ich will keine bessere Berufsausbildung, um der freien Wirtschaft schnell und unkritisch dienen zu können, keine schlankeren Bildungsinhalte. Lieber würde ich in einer realistischen Regelstudienzeit genauso gut gebildet werden, wie einst die Diplom- oder Magister-Studis. DENNIS PFEIFFER, Schauenburg