Berliner Szenen: Is det was Deutsches?
Oh, Brandenburg
Ich muss das jetzt einfach mal loswerden. Zumal ich in diesem Sommer – wo ich kaum Zeit hatte, die sogenannte Hauptstadt zu verlassen – so intensiv wie lange nicht versucht habe, mit dir Freundschaft zu schließen. Deine Badeseen. Deine Biosphärenreservate. Deine Paradiese am Ende der S-Bahn-Linie. Das lese ich doch seit mehr als zwei Jahrzehnten in den Juli-Heften von Zitty und Tip. Ja, ich meine dich: Brandenburg.
In diesem Jahr habe ich es noch mal versucht, dich so wunderbar zu finden, wie diese schwärmerischen Berichte in der Berliner Lokalpresse es mir immer nahelegen. Ich bin bis zu den Endhaltestellen gefahren, bin geradelt und gewandert, wollte sogar nicht mehr über Zigeunerschnitzel im einzigen Restaurant am Orte meckern und alles einfach nur wunderbar finden.
Es begann mit diesem Fährmann im Spreewald, der uns zu Pfingsten auf der Bootstour durch zugegebenermaßen wunderbare Landschaften mit seinen Einsichten über die „Lügenpresse“ seiner kleinen Gemeinde unterhielt. Die Bäckerin im selben Landstrich, die auf meine Frage nach dem Wetterbericht antwortete: „Den Medien glaube ich schon lange nichts mehr, die schreiben sowieso, was sie wollen“, passte ganz gut ins Bild. Und die Pommesbude am Arkenberger Kiessee, wo ein Chorus von Ganzkörpertätowierten in Badehosen auf meine Bestellung eines Capri-Eises den tollen Spruch auf Lager hat: „Is det was Deutsches?“ Das war dann schon ein bisschen viel.
Ganz zu schweigen von dem Theater, das ein Autochthoner veranstaltete, als ich auf dem Heimweg ein paar herabgefallene Äpfel von einem Baum am Straßenrand aufgelesen habe. Natürlich sind die nicht mein Eigentum. Aber seines war es auch nicht, wie sich nach einer längeren Debatte herausstellte. Tilman Baumgärtel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen