LeserInnenbriefe
:

taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin

briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Deutscher Rassismus

betr.: „Wir sind nur noch gerannt“, taz vom 16. 9. 16

In vielen deutschen Städten sind rassistische Übergriffe an der Tagesordnung. Flüchtlinge und andere „Fremde“ werden ausgegrenzt, beschimpft, zu Unrecht beschuldigt, bedroht, angegriffen. AusländerInnen (und auch Deutsche, die dafür gehalten werden) fühlen sich in vielen Teilen Deutschlands permanent unsicher. Die rassistische AfD erzielt deutlich über zehn Prozent der WählerInnenstimmen, die mehrheitlich rassistische CSU sitzt sogar in der Regierung. In CDU und SPD gibt es viel Verständnis für rassistische WählerInnen, und auch bei der Partei Die Linke und den Grünen gibt es viele Parteimitglieder, die die Abneigung gegen „Fremde“ unterstützen.

Kanzlerin Merkel und die Bundesregierung betreiben eine Abschottungspolitik, die dazu führt, dass Tausende Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. Und vor allem die sich „christlich“ nennenden Parteien CDU/CSU wollen eine Politik, die sich noch weniger an Nächstenliebe orientiert.

In dieser Situation kommt es in Bautzen zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Nazis (die Polizei spricht von „augenscheinlich gewaltbereiten Personen“, „in großer Zahl dem politisch rechten Spektrum zuzuordnen“) und Flüchtlingen. Ein Notarztwagen, der einen verletzten Flüchtling versorgen soll, wird von den Nazis mit Steinen beworfen. Werden einige der Nazis inhaftiert oder in Gewahrsam genommen? Nein. Gibt es Platzverweise gegen einige der Nazis? Nein. Stattdessen gibt es Maßnahmen gegen die Flüchtlinge. Angebliche Rädelsführer werden in eine andere Stadt umgesiedelt. Alle Flüchtlinge in der Unterkunft erhalten – ob sie an den Auseinandersetzungen beteiligt waren oder nicht – ein Alkoholverbot und eine nächtliche Ausgangssperre. Ein Alkoholverbot oder eine nächtliche Ausgangssperre gegen die Deutschen, die die Auseinandersetzung provoziert haben, gibt es nicht. Trotz aller Unterschiede, die es gibt: Die rassistischen Sanktionen des Landkreises Bautzen erinnern mich an die Judengesetze im „Dritten Reich“. Ich hoffe, dass der deutsche Rassismus sich nicht wieder so entwickelt, dass viele Hunderttausend Menschen entrechtet werden und viele Tausend Menschen sterben. HOLGER VOSS, Münster

Kratzig treffend

betr.: „Jede Strafe für Fluchthelfer ist zu hoch“, taz vom 14. 9. 16

Hallo, Herr Beucker, seit Monaten erzähle ich allen, die’s nicht hören wollen: Das Problem sind nicht die Schleuser. Die ganze Titelseite ist klasse, schön dass die taz Ihre kratzigen, treffenden Klartextbeiträge auch druckt. HANS-JÜRGEN SITTEK, Moers

Profitorientierte Branche

betr.: „Bayer gentechnisch vergrößert“, taz vom 15. 9. 16

Glaubt ihr wirklich, die geplante Fusion trifft den kleinen Bauern, weil Bayer und Monsanto künftig für weniger Innovationen sorgen werden? Schon jetzt geht es Bayer und Monsanto allein darum, mit der Agrarindustrie ihre Geschäfte zu machen und so viel Einfluss auf die Strukturen in der Landwirtschaft zu gewinnen, dass sie die Marktbedingungen diktieren können. Solange die Erzeugung von Nahrungsmitteln immer mehr zur profitorientierten Branche degeneriert und nicht als Aufgabe im Interesse des Allgemeinwohls wahrgenommen wird, haben Produzenten und Verbraucher nichts zu lachen. Nötig ist eine Änderung im gesamten System und nicht nur an einzelnen Stellschrauben. REINHOLD WABER, Mertingen

Rentensystem revolutionieren

betr.: Längeres Arbeiten soll attraktiver werden“,taz vom 15. 9. 16

Was ist mit den körperlich hart Arbeitenden, die jetzt schon mit verschlissener Gesundheit das offizielle Rentenalter nicht erreichen? Die Gerüstbauer, Gipser, Landschafts(beton)gärtner, Pflasterer, Maurer und andere. Wer von denen arbeitet denn noch mit 65? Deutschland hat die produktivsten Arbeiter, entsprechend hoch ist auch der Druck. Wie lange kann man das im Alter aushalten, wenn die Kräfte nachlassen, die geistigen auch? Was ist mit denen, die eine unterbrochene Biografie haben, sei es wegen Kindern, kranken Angehörigen, Weltreisenden, Selbstständigen? Alle mal später auf Hartz IV, obwohl sie auch ihren Teil zur Gesellschaft geleistet haben? In der Schweiz gibt es die dritte Säule. Jeder zahlt ein. Auch Selbstständige und Beamte. Wir schaffen das nur, wenn wir unser Rentensystem revolutionieren. Etwas, vor dem sich speziell Konservative und alle in Wahldekaden Denkenden scheuen.

CHRISTOPH KROLZIG, Öhningen

Letztes Bollwerk SPD?

betr.: „Ceta-Konvent der SPD“, taz vom 17. 9. 16

In dem Artikel wird beschrieben, wie sich die SPD durch eine weiterhin nicht klar definierte Haltung in eine Schlüsselposition zu manövrieren gedenkt. Das macht mir Angst, denn sie ist in der Vergangenheit so gut wie immer umgefallen oder hat sich austricksen lassen, bewusst oder unbewusst. Man stelle sich die Situation vor: Die SPD will uns weismachen, sie hält alleine dem Druck stand, will das letzte Bollwerk sein? Mit einem Vorsitzenden, der bis dato nur aus wahltaktischer Sicht verbale Zugeständnisse machte? MARTIN BOSCH, Geestland