Portrait
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Gregor Gysi will wieder für den Bundestag kandidieren Foto: dpa

Homo politicus

Die Entscheidung dürfte wohl keinen überrascht haben – außer ihm selbst: Gregor Gysi will 2017 erneut für den Bundestag kandidieren, als Direktkandidat in Treptow-Köpenick. Die Erfolgsaussichten für den 68-Jährigen sind gut. 2013 hatte die Mehrheit der Wähler_innen in dem Ostberliner Bezirk für den linken Promi gestimmt, wie schon 2009 und 2005. Er habe sich das reiflich überlegt, sagte Gysi dem Berliner Kurier, sonst nicht gerade die Hauspostille der Linkspartei.

Noch im Sommer hatte Gysi in der taz sinniert: es spräche vieles gegen eine erneute Kandidatur und einiges dafür. Was dagegen spräche, sagte er nicht. Doch hatte wirklich jemand ernsthaft geglaubt, Gregor Gysi würde aus der Politik aussteigen? Seit er am 4. November 1989 auf jener legendären Demonstration am Berliner Alexanderplatz mit Nickelbrille und im beigen Trenchcoat die Rednertribüne erklomm, hat Gysi seinen Stammplatz auf der politischen Bühne. Ja, er ist ein paar Mal abgetaucht – 2002, als er den Job als Wirtschaftssenator im Zuge einer „Affäre“ um dienstliche Flugmeilen hinwarf und in den Jahren danach, als er drei Herzinfarkte und eine Gehirnoperation wegsteckte. Aber richtig weg war er nie.

Auch als er im Herbst 2015 mit großer Geste den Posten als Fraktionsvorsitzender abgab, hielt er es nur kurze Zeit als stummer Zuhörer auf den Hinterbänken des Bundestages aus. Wann er endlich mal wieder im Plenum sprechen dürfe, erkundigte sich Gysi bei seinen Nachfolgern Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht im Frühjahr. Auf dem Parteitag im Mai konnte Wagenknecht, deren Verhältnis zu Gysi seit jeher gespannt ist, seinen Auftritt noch verhindern. Doch in der Partei wollen nicht wenige, dass ihre Galionsfigur aktiv bleibt – auch um Wagenknecht in Schach zu halten sowie diejenigen, die glauben, sobald die Linkspartei mitregiert, gehe sie unter.

Gysi hat aus seiner Überzeugung in den letzten Monaten keinen Hehl gemacht: Seine Aufgabe sehe er darin, in Richtung Rot-Rot-Grün Druck zu machen. „Wenn diese Konstellation tatsächlich möglich wird, könnte die Frage kommen: Warum bist du nicht dabei und hilfst nicht? Sonst wird das doch nichts.“ Anna Lehmann