Mehr Waffen für fast jeden

EXPORT Die beiden großen Kirchen kritisieren den Verkauf von Kriegsgerät an autoritäre Regime. Die Zahl der belieferten Problemstaaten wuchs in einem Jahr von 48 auf 64

„Kriegswaffen können für interne Repression eingesetzt werden“

PRÄLAT KARL JÜSTEN, GKKE

BERLIN epd | Angesichts zunehmender Rüstungslieferungen auch in Krisenregionen sehen die beiden großen Kirchen die Gefahr, dass Waffenexporte zu einem wichtigen Pfeiler der deutschen Außenpolitik werden. Es sei „ein gefährlicher Trugschluss“, zu glauben, dass Lieferungen von Kriegsgerät zur Stabilisierung beitragen könnten, kritisierte am Montag in Berlin der Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beim Bund, Prälat Bernhard Felmberg.

Zusammen mit seinem katholischen Amtskollegen Karl Jüsten stellte er den diesjährigen Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) vor. In dem 112-seitigen Papier kommentieren die beiden großen Kirchen den Mitte November von der Bundesregierung vorgelegten Rüstungsexportbericht 2011. Zugearbeitet hat dieses Jahr vor allem das Friedensforschungsinstitut Bonner Internationales Konversionszentrum (BICC).

Laut Bericht hat sich die Zahl der belieferten Staaten mit einer bedenklichen Menschenrechtssituation von 2010 auf 2011 von 48 auf 64 erhöht. 9,3 Prozent aller Einzelausfuhrgenehmigungen betrafen nach Interpretation der Bundesregierung Entwicklungsländer (2010: 7,7 Prozent). Lege man allerdings die international gültige OECD-Ländereinstufung zugrunde (demnach wäre etwa der Nato-Partner Türkei auch ein Entwicklungsland), erreiche dieser Anteil sogar 21,2 Prozent.

Mit 42 Prozent entfalle mittlerweile fast die Hälfte aller Ausfuhrgenehmigungen auf Staaten außerhalb von Nato und EU. „Aus der Ausnahme scheint eine Regel geworden zu sein“, sagte der katholische GKKE-Vorsitzende Jüsten. Auch das Ausfuhrvolumen in diese Drittstaaten sei 2011 um rund 70 Prozent auf knapp 2,3 Milliarden Euro gestiegen. Hauptabnehmer waren die Vereinigten Arabischen Emirate, Singapur, Irak und Algerien.

Die Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die mit der Aufrüstung autoritärer Staaten etwa im arabischen Raum „Stabilitätsanker“ schaffen wolle, übersehe die Probleme, die von Waffenlieferungen ausgehen können, fügte Felmberg hinzu: „Nichtdemokratische Staaten können Kriegswaffen für interne Repression einsetzen.“

Als bedauerlich werteten die Kirchen, dass die Bundesregierung weiter das Geschäftsrisiko von Rüstungsexporteuren auf die Schultern der Steuerzahler verlege. Der Wert der Hermes-Kreditbürgschaften habe 2010 bei 32 Millionen Euro gelegen, 2011 indes bei 2,5 Milliarden. Für den Anstieg hätten vor allem U-Boot-Lieferungen an die Türkei gesorgt.

Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteur der Welt (nach den USA und Russland). Laut BICC-Institut beliefen sich die Einzelausfuhrgenehmigungen für deutsche Rüstungsexporte auf 5,4 Milliarden Euro. 2010 waren es knapp 4,8 Milliarden Euro.

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