Portrait
:

Streitbarer türkischer Publizist: Ahmet Altan Foto: dpa

Der verhaftete Enthüller

Mit Ahmet Altan ist am Wochenende der bislang prominenteste Journalist und Schriftsteller seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei verhaftet worden. Der heute 66-jährige Altan war seit seinen frühen Jahren ein streitbarer Publizist und umstrittener Romancier, der keinem Konflikt aus dem Weg gegangen ist. Er ist ein wortmächtiger Liberaler, der seit der Verhaftung seines Vaters nach dem Militärputsch 1980 gegen die Vorherrschaft der Generäle gekämpft hat. Er ist aber auch ein großer Egomane, der immer darunter litt, im Schatten seines berühmten Schriftstellervaters Çetin Altan gestanden zu haben.

Aus diesem Schatten trat er endgültig heraus, als er 2007 die Chefredaktion der neu gegründeten Zeitung Taraf übernahm, die bald darauf zu dem Enthüllungsorgan über angebliche Putschversuche des Militärs wurde. Taraf veröffentlichte kistenweise geheime Akten des Militärs, die dann dazu genutzt wurden, Verfahren gegen eine Vielzahl hoher und höchster Offiziere zu begründen. Für seine Arbeit erhielt er 2009 den Leipziger Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien.

Seine Kritik am Militär machte ihn zu einem Verbündeten der geheimen Gülen-Operationen der Jahre 2008 bis 2011, in denen die islamische Bewegung die Führung des türkischen Militärs vor Gericht brachte. Heute weiß man, dass die meisten damals erhobenen Vorwürfe auf manipulierten Dokumenten fußten. Ahmet Altan gab 2012 seinen Job als Chefredakteur der Zeitung auf, als sich der Bruch zwischen dem heutigen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und der Gülen-Bewegung abzuzeichnen begann.

Altan widmete sich fortan wieder mehr seinen Büchern, schrieb aber weiterhin scharfe Kolumnen, jetzt nicht mehr gegen das Militär, sondern gegen Erdoğan, den er unter anderem wegen dessen Kurdenpolitik scharf kritisierte.

Ahmet Altan wurde am Samstag zusammen mit seinem Bruder Mehmet, einem bekannten Wirtschaftsprofessor, festgenommen. Der offizielle Vorwurf lautet, beide hätten am Tag vor dem Putsch in einem von der Gülen-Sekte kontrollierten TV-Sender Andeutungen über den bevorstehenden Putsch gemacht. Jürgen Gottschlich