St. Pauli stoppt die Talfahrt

Zweite Liga Durch den ersten Saisonsieg gegen Arminia Bielefeld mit 2:1 verlässt der FC St. Pauli die Abstiegsränge und entkommt damit seiner ersten sportlichen Krise unter Trainer Ewald Lienen

Oke Göttlich hielt es nicht auf den Sitzen. Der Präsident des FC St. Pauli lehnte am Eingang zum VIP-Bereich der Haupttribüne und feuerte sein Team im Stehen an. Die Anspannung war an diesem Samstag am Millerntor allenthalben greifbar. Als der eingewechselte Cenk Sahin schließlich in der letzten Minute der regulären Spielzeit den Siegtreffer gegen Arminia Bielefeld (2:1) erzielte, kannte der Jubel auf den ausverkauften Rängen kaum Grenzen.

Unmittelbar nach Abpfiff brachte es Torhüter Robin Himmelmann auf den Punkt: „Die Erleichterung ist riesengroß, das Erfolgserlebnis war so wichtig!“ Und dass Trainer Ewald Lienen nach Spielende so ausgelassen wie selten mit seinen Spielern scherzte, zeigte, dass auch von ihm gerade eine Zentnerlast abgefallen war.

Über Wochen hatten die Verantwortlichen des Vereins alles getan, um in der sportlichen Talfahrt Ruhe zu bewahren und Zuversicht zu verströmen. Drei verlorene Spiele hintereinander und der letzte Tabellenplatz hatten weder zu einer Trainerdiskussion noch zu panikartigen Neueinkäufen am Ende der Transferperiode geführt.

Am Millerntor denkt man langfristig: Drei Niederlagen in Folge führen ebenso wenig zu hektischer Betriebsamkeit wie drei Siege am Stück zu kollektiver Glückseligkeit. Präsident Göttlich, Sportchef Thomas Meggle und Trainer Ewald Lienen sind in ständigem Austausch miteinander.

Doch eine weitere Schlappe gegen die ebenfalls noch sieglosen Bielefelder hätte auch die heile St.-Pauli-Welt ins Wanken gebracht: Im Vereinsumfeld wurden bereits Erinnerungen an die vorletzte Saison wach, als das Team ebenfalls mit großen Erwartungen gestartet war und dann erst am letzten Spieltag den kaum noch für möglich gehaltenen Klassenerhalt sichern konnte.

„Wenn wir zehn Prozent mehr investieren, gewinnen wir, bei zehn Prozent weniger verlieren wir“, sagte Meggle. Als Grund für den Heimsieg sieht er den bedingungslosen Einsatz aller Akteure. Tatsächlich war das Team, das anfangs nur schwer in Spiel kam, dann aber durch Aziz Bouhaddouz kurz vor der Pause in Führung ging, nach dem Ausgleichstreffer der Bielefelder (50.) pausenlos gegen das Tor der Arminen angerannt. Die Mannschaft hatte dabei im Millerntorstadion nicht nur bis zur Erschöpfung gekämpft, sondern sich auch zahlreiche hochkarätige Möglichkeiten mit feinen Kombinationen erspielt. Vor allem die Kreativspieler Waldemar Sobota, Choi, Ryo Michaichi und Cenk Sahin zeigten erstmals auf, über welches spielerische Potenzial sie verfügen.

Doch die fahrlässige Chancenauswertung, ein nicht gegebener Elfmeter und ein ebenfalls nicht gegebenes reguläres Tor durch Kyong Rok Choi führten dazu, dass auch die Dramaturgie stimmte. „Siege in letzter Minute schmecken am besten“, gewann Mittelfeldmotor Christopher Buchtmann dem nervenzehrenden Last-minute-Erfolg noch etwas Charme ab. Präsident Göttlich aber, hätte sich sicher gern schon etwas früher in seinen Schalensitz zurückgelehnt. Marco Carini