piwik no script img

Ästhetik der Stille

Berlin Art Week Zum vierten Mal zeigt Matthias Arndt die Berlin Masters, junge Künstler und Künstlerinnen, die gerade an einer der Berliner Hochschulen ihren Abschluss gemacht haben

Eine ausgestellte Arbeit: Henri Haake, o. T., 2016, Öl auf Leinwand, 40 x 30 cm Foto: Berlin Masters/Arndt Art Agency A3

von Brigitte Werneburg

Gerade hat die UdK in ihrem aktuellen Newsletter Bilder von den diesjährigen Rundgängen verschickt und damit noch einmal daran erinnert, was für eine interessante Sache diese hochschulinternen Abschluss- und Talentschauen doch sind.

Wer im Frühsommer nicht vorbeischauen konnte, hat jetzt zur Berlin Art Week eine neue Chance, jedenfalls was die Bildende Kunst begrifft. Denn zum vierten Mal finden die Berlin Masters statt, das von Matthias Arndt und seinen Mitstreiterinnen Lisa Polten und Lydia Korndörfer entwickelte Format einer Förderplattform. In der Zeit, in der sich die internationalen und nationalen Sammler, Kuratoren, Museumsleute, Kritiker und Galeristen en masse in der Stadt herumtreiben, stellten sie jungen Künstlern und Künstlerinnen nach ihrem akademischen Abschluss die Infrastruktur und das Renommee ihrer Galerie zu Verfügung, um ihnen den Weg in die professionelle Karriere zu ebnen.

Weil das Format inzwischen fester Bestandteil des Berliner Kunstherbstes ist und die Galerie Arndt in der Potsdamer Straße sich in A 3, Arndt Art Agency in der Fasanenstraße verwandelt hat, präsentieren sich auch die Berlin Masters dieses Jahr neu. Die Ausstellung hat eine längere Laufzeit, startete jetzt am Freitag, also schon eine Woche vor Beginn der Art Week, die sie dann noch eine Woche überdauert. Dazu wurde für die nächsten drei Jahre mit dem Kurator Philipp Bollmann ein eigener Kreativdirektor gewonnen.

Zukünftig steht ihm ein fünfköpfiger Beirat aus dem Berliner Kunstbetrieb beratend zur Seite. Einzelne Mitglieder engagieren sich dabei als Mentoren und helfen den jungen Künstlern und Künstlerinnen mit Kontakten, Rat und Informationen weiter. Da A3 nicht mehr als Galerie auftritt, die mit Kunst handelt, sondern als Agentur, die Künstlern, aber auch Museen, Verlagen, anderen Galerien und Sammlern professionelle Dienstleistungen anbietet, sind die Berlin Masters noch direkter in die Kooperation mit diesen Klienten eingebunden. Das Projekt ist ein Non-Profit-Projekt − die ausgestellten Arbeiten sind käuflich zu erwerben, die Erlös geht aber an die Künstler und Künstlerinnen, abzüglich eines geringen, kostendeckenden Prozentsatzes für die Organisation.

Philipp Bollmann, der seit 2008 Kurator der Sammlung Wemhöfer ist, hat seiner ersten Ausgabe der Berlin Masters den Titel „Silence as Attitude“ gegeben. „Mir ist aufgefallen“, so sagt er im Gespräch, „dass das Konzept der Stille derzeit von so vielen jungen Künstlern aufgegriffen wird. Da hat mich dann interessiert, warum.“ Es sei natürlich kein neues Motiv, die Ästhetik der Stille habe besonders im 20. Jahrhundert eine große Rolle gespielt, etwa bei Malewitsch. Die Erfahrung des schwarzen Quadrates falle mit einem intensiven Erleben von Stille zusammen. Ähnlich der Galerieraum des 20. Jahrhunderts, der White Cube „der ja den Betrachter zwingt, die Kunst konzentriert und schweigend zu betrachten“.

Stille kann richtig bunt sein. Trotzdem liebt sie Schwarz-, Weiß- und Grautöne

Dass sich junge Künstler mit der Stille auseinandersetzen, mag auch damit zu tun haben, meint Philipp Bollmann, dass die Welt sonst so konfliktreich und damit laut und im Dauerstreitgespräch sei. Da möchte man dann wieder das überzeugende Argument der Stille hören. Philipp Lüttjohann etwa, einer der zwölf ausgestellten Künstler und Künstlerinnen, nimmt sich zwei Verpackungen vor, ein Chipstüte und eine Dose Hengstenberg Rotkohl und nimmt die Farbe einfach weg, die ja sonst um Aufmerksamkeit schreit. Dass die Kunstgeschichte von Warhol bis Manzoni mitspricht, muss man nur nebenbei erwähnen.

Reduktion interessanterweise durch Vergrößerung betreibt Manuel Kirsch, der das Prägemuster von Klopapier als Siebdruck im Großformat an die Wand hängt und „Schmetterlinge“ nennt. Stille muss nicht farbig gedämpft sein, womöglich weiß wie auch bei Yuni Kim, der koreanischen Künstlerin, die die Hohlformen von kleinen Gefäßen in die Leinwand eingeprägt hat, wobei die Tassen und Kännchen jeweils das Porträt eines Familienmitglieds repräsentieren sollen. Stille kann auch richtig bunt sein wie bei Björn Streecks, „Zielscheibe 10, (Kirchenfenster)“, die leuchtend-transparente Buntpapiere vor dem Betrachter aufspannt.

Trotzdem liebt die Stille die Schwarz-, Weiß- und Grautöne. Lilia Kovkas nach Installationsrohren geformten Keramiken bilden schwarz glasiert ein Morandi-Stillleben und ungebrannt weiß ein Chaos von Bruchformen. Das Duo Timon & Melchior Grau hat ein raffiniertes Siebdruckverfahren entwickelt, das es ihnen erlaubt, geradezu malerische Wirkungen zu erzielen. „E“ ist dann die symbolisch sprechendste der Arbeiten der Stille, zeigt das Bild doch nur Auge und Nase eines (vermutlich) jungen Mannes. Man wird darüber reden.

Bis 23. September, Arndt Art Agency A3, Fasanenstr. 28, Mo.–Fr. 10–18, Sa. 12–17 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen