Große Vorfreude

Die Landes-CDU redet sich die geplante große Koalition in Berlin schön. Die nordrhein-wesfälische Führungsriege der Union feiert angedachte Politehe mit der SPD

Der große Ankündigungssozialpolitiker und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist in seinem Element. Während der Düsseldorfer Koalitionspartner FDP fast schon vor der geplanten großen Koalition im Bund ausspuckt (siehe Interview), profiliert sich der Landesvater als Wohlfühlregent. Von einer CDU/CSU-SPD-Koalition erwartet Rüttgers eine „Politik der sozialen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft“. In einem Zeitungsinterview sprach sich Rüttgers gar für eine Rentenerhöhung aus. Die „Belastungsgrenze“ für viele Rentner sei erreicht. Also ein kräftiger Schluck aus der Pulle für die Alten? Die Renten sind sicher? Ist Norbert Blüm wieder da?

Auch abseits der Sozialpolitik fällt dem CDU-Regierungschef derzeit fast nur Positives zur angedachten Berliner Politehe ein. „Eine große Chance für das Land“ sei die Großkoalition, sagte Rüttgers. „Sie kann gelingen, wenn sie sich nicht im Klein-Klein verheddert. Dann wird sie zu einem großen Erfolg, da bin ich sicher.“

Beobachter der CDU-Präsidiumssitzung vom Montag hatten auch von einem lachenden NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann berichtet. Der Chef der CDU-Sozialausschüsse war nach der Wahlpleite vom 18. September offen gegen den marktradikalen Kurs der Bundes-CDU losgegangen: „Die Partei war zu wenig für die Arbeitnehmer da.“ Zwar wird CDA-intern über den Landesarbeitsminister gelästert (Tenor: Der Münsterländer habe doch alle „Sauereien“ im Wahlprogramm mitverantwortet), doch die „rheinischen Kapitalisten“ Rüttgers und Laumann haben Oberwasser. „Ganz viele in der Partei sind froh, dass die SPD dafür sorgen wird, dass Kirchhof-Steuersätze und Kopfpauschalen nun Geschichte sind“, sagt ein CDA-Vertreter aus dem Landesvorstand.

Nicht nur der starke Herz-Jesu-Flügel der Landes-CDU freut sich auf die große Koalition. CDU-Fraktionschef Helmut Stahl erwartet, dass in den nun beginnenden Koalitionsverhandlungen „die Grundlagen gelegt werden für einen Aufschwung der Wirtschaft und für substanzielle Verbesserungen des Arbeitsmarktes“. Die neue Bundesregierung gebe „Rückenwind für NRW“. Landesgeneralsekretär Jochen Reck sprach ebenfalls von einem „guten Tag für Nordrhein-Westfalen“. Besonders laben sich die NRW-Konservativen daran, dass mit dem Bochumer Norbert Lammert einer der ihren Bundestagspräsident wird.

„Das Regieren wird für Jürgen Rüttgers eher leichter“, sagt Herbert Reul, Europaabgeordneter und Ex-CDU-Generalsekretär. Die Linie des Regierungschefs für „Reformen mit Augenmaß und sozialer Balance“ könne durch eine große Koalition unterstützt werden, so Reul zur taz. Dass die CDU im Bund mit der SPD und im Land mit der FDP regiere, sei kein Problem. „Ich empfehle meiner Partei sowieso, mit allen Parteien gesprächsfähig zu sein.“ MARTIN TEIGELER