Grünen Chefs droht ein neuer Richtungsstreit

Im Vorfeld des Bundesparteitags am Samstag streiten Nordrhein-Westfalens Grüne über mögliche Koalitionen: Die Parteilinke warnt vor einem Flirt mit der CDU, die Parteiführung setzt auf eine offene inhaltliche Auseinandersetzung

DÜSSELDORF taz ■ Vor dem Oldenburger Bundesparteitag der Grünen warnt die Parteilinke vor möglichen Koalitionen mit der CDU. „Am Samstag steht sicherlich eine Richtungsentscheidung an“, sagt Rüdiger Sagel, Landtagsabgeordneter aus Münster. Als „moderne Linkspartei“ dürften sich die Grünen „keiner Koalition mit Rechten“ öffnen, fordert Sagel – und plädiert für eine Öffnung der Grünen hin zur Linkspartei: „Wenn schon links gewählt wird, dann sollten Mehrheiten auch links von CDU und FDP realisiert werden.“

Hintergrund der Warnungen ist ein Antrag des grünen Bundesvorstands, in dem strategische „neue Möglichkeiten“ auf Landesebene sehr zum Ärger der grünen Basis ausdrücklich begrüßt werden. Die Dortmunder Grünen, die auch eine Koalition mit CDU und FDP auf Bundesebene vehement abgelehnt haben, fordern bereits, sämtliche koalitionsstrategischen Überlegungen aus dem Antrag des Bundesvorstands zu streichen. „Fernliegend“ sei eine Zusammenarbeit mit den Christdemokraten auf Landesebene, findet auch Wilhelm Achelpöhler, Vorstandssprecher des traditionell eher links orientierten Münsteraner Kreisverbands. „Ich erkenne nicht, dass sich die CDU in unsere Richtung bewegt hat“, sagt der Rechtsanwalt.

„Die rot-grüne Phase ist vorbei“, hält Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann dagegen. Die Partei müsse die Zeit in der Opposition als „Ideenschmiede nutzen“ – und „die Frage klären, ob es neue Bündnispartner für grüne Politik gibt“. Allerdings müssten die Inhalte im Vordergrund stehen: Niemand wird sich der CDU vorschnell an den Hals werfen.“ Kaum denkbar erscheint der Fraktionschefin dagegen ein Bündnis mit der Linkspartei. „Bei Lafontaine können wir uns genauso wenig wiederfinden wie bei der FDP.“

Landesparteichef Frithjof Schmidt plädiert dagegen für eine Sondierung auch in Richtung Linkspartei. „Wenn die zur Seriösität finden, muss man auch mit denen sprechen“, sagt der Europaparlamentarier – und verweist auf ungedeckte Wahlversprechen der Linken „in Höhe von 150 Milliarden Euro“. Wichtig sei deshalb der Kampf um grüne Inhalte: „Wir dürfen unsere Positionen aber auch nicht in Richtung Union verschieben. „Die CDU muss moderner, weltoffener werden.“

Auch Johannes Remmel, parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion, will die Grünen in der Opposition inhaltlich weiterentwickeln. „Alle Parteien hängen dem Ideal der Vollbeschäftigung an. Niemand hat eine Antwort darauf, dass es auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht genug Beschäftigung für alle gibt“, sagt Remmel – „wir auch nicht“. Geklärt werden müsse in den kommenden vier Jahren deshalb vor allem die Frage der sozialen Gerechtigkeit „in Zeiten des demographischen Wandels und der Globalisierung“. Doch auch Remmel gibt sich einer möglichen Zusammenarbeit mit den Christdemokraten gegenüber zumindest prinzipiell aufgeschlossen. „Wir dürfen uns nicht über Partnerschaften, wir müssen uns über Inhalte definieren.“ So sei etwa die katholische Soziallehre durch den neoliberalen Kurs von CDU-Bundeschefin Angela Merkel heimatlos geworden. „Bei uns könnte sie die haben“, meint Remmel: „Unser Potenzial liegt bei zehn Prozent und mehr.“

Die Parteilinke hält die Betonung von Inhalten durch die Fraktionsführung dagegen für vorgeschoben. „Ich bin für Rot-Rot-Grün, nicht für die CDU“, sagt der Abgeordnete Sagel. „Wenn einige eine schwarz-grüne Koalition wollen, sollen sie es endlich klar sagen.“

ANDREAS WYPUTTA