LeserInnenbriefe
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Die Krise ist überall

betr.: „Deutschland, rechts oben“, taz vom 6. 8. 16

Nein, Deutschland ist überall.

Die Krise ist überall. Und die entscheidende Trennlinie läuft überall, vor allem im Westen, um die Entscheidung: Igeln wir uns ein oder stellen wir uns der Einsicht, dass wir Teil von globalen Prozessen sind – allerdings ohne vernünftige Steuerung.

In Deutschland sammelt die AfD die Unzufriedenen und Enttäuschten um ihren Kern, der eine verbohrte Minderheit repräsentiert, die Europa und Internationalität ablehnt und die Zukunft leugnet.

Die anderen Parteien liefern sich wenig mehr als einen Wettkampf im Herumeiern, jetzt hacken sie, weil’s einfach ist, auf Frau Merkel, weil sie einmal Kante gezeigt hat, auch wenn sie keine Hilfe für das Wie geleistet hat. Aber Kante gezeigt in dieser Beharrlichkeit und realistischen Alternativlosigkeit hat sonst kein Politiker. „Mut zur Wahrheit“, da hat die AfD recht, der fehlt. Die etablierte politische Klasse ist überall in der Krise, und die Demokratie hat noch keinen Ausweg.

Die Kanzlerin schien kurzzeitig begriffen zu haben, dass es einen politischen Kulturwandel in der sogenannten Flüchtlingskrise gegeben hat, wie wir ihn in Deutschland bisher nicht erleben durften. Er hat durchaus auch dauerhafte Momente, denn ohne die vielen „Flüchtlingshelfer“ und den vor allem in den unteren Abteilungen der Verwaltung helfenden Pragmatismus gäbe es ein inhumanes Desaster, wie zum Beispiel in dem Lager im französischen Calais. Aber diesen positiven Kulturwandel begreift die Politik als Konkurrenz, und die Medien reden lieber von seinem ständigen Ende.

Tatsächlich im Stich gelassen werden die Flüchtlingshelfer. Diese Krise wollen die Politiker nicht wirklich lösen. Lieber erklärt man was von „die Nöte ernst nehmen“ und kommt der AfD entgegen. Die Angebote für intensiven Sprachunterricht ab der ersten Stunde werden ausschließlich von Freiwilligen geleistet. Es wird weder Personal noch ausreichend Geld zur Verfügung gestellt. Auch in grün regierten Ländern ist es nicht besser. Der Mangel wird die pessimistischen Vorhersagen wie eine self-fulfilling prophecy bestätigen.

Aber auch sonst hat die Politik nichts wirklich zu bieten als neoliberale Willfährigkeiten für die Großen und Reichen, die Korrupten usw. So wie überall in Europa, das sich gerade als politisch handelnde Einheit von der Bühne verabschiedet. Die Erfolge der AfD sind auf dem Mist der etablierten Parteien gewachsen.

BURKHART BRAUNBEHRENS, Ebertsheim

Alles Ablenkungsmanöver

betr.: „Die ganz große Anti-Merkel-Koalition“, taz vom 6. 9. 16

Danke, Georg Löwisch, endlich einmal ein Hinweis, der den Populismus aller Wahlkämpfer bis zu den Berliner Grünen aufdeckt. Natürlich gibt es an Frau Merkels Politik in der Flüchtlings-Frage Kritikpunkte: Der Kniefall vor Erdoğan, sie lässt immer noch dem unsäglichen de Maizière zu viel Spielraum, in dessen Person sich Sicherheitspolitik und damit Ängste, aber auch das Erfassungs- und Abschiebemanagement kreuzen, was es der AfD leichter macht. Während der eigentlich einmal beauftragte Altmeier Talkshow-Visiten absolviert, widerspricht sie nicht den Nörglern aus der CSU.

Alles Ablenkungsmanöver! Keine Partei möchte vor den Wahlen im nächsten Jahr die Lunte an der Sozial- und Arbeitspolitik brennen lassen. Wie entwickelt sich die Altersarmut, wie viele normal bezahlte Arbeitsplätze verbleiben nach Industrie 4.0? Was passiert in Europa, in Frankreich? In den osteuropäischen Staaten ist der Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrise und Rechtspopulismus viel deutlicher. Ich habe im Mecklenburg-Vorpommern-Wahlkampf viele Leute gehört, die bekundeten, AfD zu wählen, weil sie für sich keine Zukunft sehen, obwohl das zumeist kein Thema auf den Kundgebungen der Rechten war. Lieber ablenken und die Schuldigen im Fremdenhass suchen. Es wäre gut, wenn zumindest die Grünen sich endlich einmal um Wirtschaft und Soziales kümmern, statt rechten Parolen auf den Leim zu gehen. DIETMAR RAUTER, Kronshagen