Syrien

Die Türkei setzt ihren Vormarsch in Nordsyrien fort. Deutsche ­Abgeordnete kritisieren, Ankara habe vor allem die Kurden im Visier

Bundestag wird deutlich, Regierung bleibt verschämt

Reaktionen Deutsche Abgeordnete kritisieren erneut die Türkei – nicht nur wegen der Mililtäroffensive in Syrien. Im Herbst könnten sie Konsequenzen ziehen

„Auf Platz 1 der tür­kischen Feindesliste stehen kurdische Milizen“

Omid Nouripour, die Grünen

BERLIN taz | Die Bundesregierung verteidigt die türkische Offensive in Syrien, der Bundestag widerspricht: Abgeordnete verschiedener Parteien kritisierten am Donnerstag die Drohungen der Türkei, mit ihren Bodentruppen nicht nur gegen den „Islamischen Staat“ (IS, gelegentlich auch Isis) vorzugehen, sondern auch gegen die syrisch-kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD).

„Dass die Türkei sich nun verstärkt im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat engagiert, ist wichtig und zu begrüßen“, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt. „Wir erwarten aber auch, dass die Türkei den Angriff nicht als Vorwand nutzt, in Syrien zugleich die Kurden zu bekämpfen, die ebenfalls Teil der Koalition gegen den IS sind.“

Ähnlich äußerte sich der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour. „Wenn es der Türkei wirklich um Isis gehen würde, wäre die Offensive vielleicht verständlich“, sagte er der taz. „Auf Platz 1 der türkischen Feindesliste stehen aber kurdische Milizen. Deren Gebiete sind die letzten Bastionen gegen die Dschihadisten in Syrien und geraten jetzt in Gefahr.“ Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, forderte eine „klare Stellungnahme des Auswärtigen Amts und von Bundeskanzlerin Merkel, die die türkische Militärintervention verurteilt“.

Ein solches Statement vermeidet die Regierung bisher bewusst. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts hatte am Mittwoch gesagt, die Türkei wolle offensichtlich verhindern, dass an der Grenze zu Syrien ein Gebiet „unter totaler Kontrolle der Kurden“ entstehe. Das Außenministerium respektiere diesen Wunsch und unterstütze die Türken.

Hinter dem Zuspruch steckt der Versuch, zumindest in diesem Fall einen Konflikt mit der türkischen Regierung zu vermeiden. Nach diversen Auseinandersetzungen in den vergangenen Monaten ist das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara belastet. Und wegen des Luftwaffenstützpunkts Incirlik bahnt sich schon der nächste Streit an.

Auf dem Militärflughafen im Süden der Türkei sind Bundeswehrflugzeuge stationiert, die sich am internationalen Einsatz gegen den IS beteiligen. Seit der umstrittenen Armenien-Resolution des Bundestags verbietet die türkische Regierung deutschen Abgeordneten aber, die Soldaten vor Ort zu besuchen. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold droht deshalb schon seit Monaten: Lenke die Türkei nicht ein, werde der Bundestag im Herbst das Einsatzmandat nicht verlängern. Gegenüber Spiegel Online bekräftigte er am Donnerstag seine Ankündigung.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte der taz, dass die Bundeswehr bereits Alternativen zu Incirlik im Auge habe. Dies sei bei Auslandseinsätzen aber Routine und stehe nicht im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte. Zudem würde es das Ministerium schon aus logistischen Gründen bevorzugen, den türkischen Stützpunkt auch weiterhin zu nutzen. Tobias Schulze