LeserInnenbriefe
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Mit aller Gewalt

betr.: „Zweite Front in Syrien eröffnet“, taz vom 5. 9. 16

In dem Artikel wird bewusst oder unbewusst der Eindruck erweckt, die Türkei sei in Nordsyrien effektiv gegen den IS vorgegangen. Aber dann heißt es weiter, dass zu den von der Türkei unterstützten FSA-Milizen auch dschihadistisch-islamistische Kämpfer gehören.

Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) verfolgen auch Erdogans „moderate“ Islamisten die gleichen Ziele wie der IS in Syrien. Die Kurden sind die einzige Macht in Syrien, die konsequent eine säkulare politische Agenda verfolgt, bereits Hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen hat und erfolgreich schützt. Zu keiner Zeit haben die Kurden die Souveränität und die territoriale Einheit Syriens oder der Türkei bedroht. Doch das wird von der türkischen Regierung behauptet und deshalb geht Erdoğan mit aller Gewalt gegen sie vor und will deren Selbstverwaltung, die „Friedensoase“ zerschlagen.

In Kobani wurde am 2. September eine kurdische Mahnwache gegen die widerrechtlich Besetzung Nordsyriens durch die türkische Armee beschossen unter dem Vorwand, die Kurden hätten türkische Bauarbeiter angegriffen. Woher hat Jürgen Gottschlich die Information, dass die Kurden angegriffen haben? Weiß er auch, auf welchem Boden die Grenzmauer zu Syrien gebaut werden soll? JÜRGEN WESSLING, Hannover

Ein bisschen mehr Fortbildung

betr.: „Verantwortung? Zu lästig!“, taz vom 5. 9. 16

Langweilig: Alle Jahre wieder jagen Gegner der Künstlersozialversicherung eine neue Sau durchs Dorf. Ihr Ziel ist scheinbar, die Künstlersozialversicherung schlechtzureden oder zum Abschuss freizugeben. Von sozialer Verantwortung kennt ein Teil der Arbeitgeberverbände nicht viel. Ich weiß, dass erfreulicherweise nicht alle so denken. KünstlerInnen ausnutzen, aber nur bedingt dafür bezahlen, ist die alte Masche.

Nun ist es die Bürokratie. Hervorgezaubert durch eine auf relativ niedrigem Niveau durchgeführte Umfrage soll herausgekommen sein, dass pro 1 Euro Künstlersozialabgabe 1 Euro Bürokratiekosten entstehen. Wie diese Fantasiezahlen entstanden sind, wissen nur Eingeweihte. Diese Zahl ist nicht zu halten. Es sei denn, man rechnet alle möglichen Kosten, die nichts mit der KSK zu tun haben, da rein. Oder diese Unternehmen arbeiten noch mit Rechenschieber und Rauchzeichen.

Man kann diesen Unternehmen nur empfehlen, ein bisschen mehr Fortbildung für ihre MitarbeiterInnen zu organisieren. Zum Beispiel können sie sich Kenntnisse aneignen bei kleinen oder großen Kultureinrichtungen, wie man das schnell und geräuschlos abwickelt. In diesen Einrichtungen brauchen die MitarbeiterInnen zwei bis fünf Stunden im Jahr, um die Pflichten für die KSK zu bewältigen.

Ich bin selbst seit über 20 Jahren im Beirat der Künstlersozialkasse als Vertreter der abgabepflichtigen Unternehmen. Also werte Arbeitgeber: Fortbildung tut gut und spart auch. Oder besorgen Sie sich eine neue Buchhaltungssoftware.

RAINER BODE, Münster

Nicht glaubwürdig

betr.: „Trittin attackiert Realos“, taz vom 2. 9. 16

Es bedarf schon einer großen Portion Selbstbewusstsein (oder eher Selbstüberschätzung), wenn die Wahlverlierer von 2013 jetzt wieder Ratschläge an Bündnis 90/Die Grünen geben, mit wem nach der Wahl 2017 koaliert werden dürfe/müsse oder auch nicht.

Sie haben niemals nach Fehlern des Programms für die Wahl 2013 geforscht oder sich selbst hinterfragt. Bei der Bundestagswahl 2013 blieben Bündnis 90/Die Grünen hinter allen Hoffnungen und Erwartungen zurück, weil das Wahlprogramm sich las wie eine Anbiederung an die SPD-Linke und an die Linke – also eine Quasikoalitionsaussage darstellte. Keine Spur des großen Projekts einer ökonomisch-ökologisch-sozialen Erneuerung, das die Grünen einst stark gemacht hat.

Jürgen Trittin war sicher der beste Umweltminister, den die Bundesrepublik Deutschland je hatte. Er war es aber auch, der als Regierungsmitglied unter Rot-Grün das Investmentfördergesetz und die Steuerfreiheit für Beteiligungserlöse mit durchgesetzt hat. Mithin war dies seit Bestehen der BRD die größte politische Vermögensumverteilung von unten nach oben. Mit Verlaub: Jürgen Trittin ist in der Besetzung des Robin Hood nicht mehr übermäßig glaubwürdig. Bündnis 90/Die Grünen müssen endlich wieder ins Erwachsenenalter zurückkehren, kluge Ideen für eine ökonomisch-ökologisch-sozial orientierte Erneuerung entwickeln und, ganz wichtig, sich dabei nicht am nächsten Nominierungsparteitag orientieren, sondern an den Erfordernissen für die Bundesrepublik Deutschland und ihrer Menschen. Koalitionsverhandlungen gibt es frühestens nach der Wahl.

EUGEN SCHLACHTER, Maselheim

Wermutstropfen beigemischt

betr.: „Verfolgt und vergessen“, taz vom 3. 9. 16

Dem sehr lobenswerten Anliegen, auf die Jenischen und ihre Anerkennungskämpfe aufmerksam zu machen, ist in dem Artikel leider der Wermutstropfen beigemischt, dass eine unsägliche Unterscheidung zwischen „deutsch“ und „Sinti und Roma“ aufgemacht wird. Wie unsinnig dieser vermeintliche Antagonismus ist, zeigt sich schon daran, dass der erwähnte Zentralrat derjenige „Deutscher Sinti und Roma“ ist. Rom_nja und Sinti_ze aus der imaginierten Nation auszuschließen, ist hartnäckiger Bestandteil des Antiziganismus. SEBASTIAN VAUPEL, Berlin